EU-Chefs streiten über Besetzung der Spitzenposten

Der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel steht im Schatten des Streits um die Top-Posten. Spitzenpolitiker suchten vor Gipfelbeginn in kleiner Runde nach einer Lösung.

Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt bei der Ankunft in Brüssel. (Bild: sda)

Der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel steht im Schatten des Streits um die Top-Posten. Spitzenpolitiker suchten vor Gipfelbeginn in kleiner Runde nach einer Lösung.

Vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel am Mittwochabend hat sich der Streit um die Besetzung der EU-Topp-Posten ausgeweitet. Spitzenpolitiker suchten vor Gipfelbeginn in kleiner Runde nach einer Lösung.

Der Beginn des Treffens wurde um zwei Stunden verschoben. Diplomaten rechneten mit langen Verhandlungen bis in die Nacht. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss vor Gipfelbeginn nicht aus, dass es gar nur «eine erste Diskussion» zu den Personalfragen gibt.

«Nicht der allerbeste Start»

Besetzt werden müssen die Posten EU-Aussenbeauftragter, EU-Ratspräsident und Eurogruppen-Chef. Der vierte Spitzenposten, der Vorsitz der EU-Kommission, wurde bereits an den konservativen Jean-Claude Juncker vergeben.

«Ich bin dafür, dass wir, wenn wir entscheiden, dann auch die offenstehenden Fragen sehr umfassend klären. Ob das heute schon gelingt, glaube ich eher nicht», sagte Merkel weiter. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann stiess ins gleiche Horn: «Entschieden ist noch gar nichts.»

Der finnische Regierungschef Alexander Stubb kommentierte die Verschiebung des Gipfelstarts im Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten: «Das ist nicht der allerbeste Start. Sieht aus, als würde es die ganze Nacht dauern.»

Der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt mahnte aber, es sei wichtig, dass wenigstens der Posten der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton neu besetzt werde.

Frankreichs Präsident François Hollande sagte, seinem Land komme es weniger auf Personen als auf Ziele und Ausrichtung an.

Italienerin ist einigen zu Russland-freundlich

Aussichtsreichste Kandidatin auf das Aussenbeauftragten-Amt war bis anhin die italienische Aussenministerin Federica Mogherini. Ihre Chancen sanken jedoch vor Gipfelbeginn. Kritiker warfen der linken Politikerin unter anderem mangelnde Erfahrung vor, weil die 41-Jährige erst seit Februar in Rom im Amt ist.

Die Christdemokraten und Konservativen im EU-Parlament etwa pochen auf einen erfahrenen Aussenpolitiker, «der dem Gewicht Europas auch ein Gesicht geben kann», sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber. Auch Estlands Ministerpräsident Taavi Roivas betonte, die EU brauche Kandidaten mit viel Erfahrung, «welche die Sicherheitslage im heutigen Europa gut verstehen.»

Den Osteuropäern ist Mogherini laut Diplomaten ausserdem zu russlandfreundlich. Dies sagte auch die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite bei ihrer Ankunft in Brüssel.

Komplizierte Ämtervergabe

Als mögliche Alternative für den Posten des EU-Aussenbeauftragten gelten die konservative bulgarische EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Kristalina Georgiewa.

Im Gespräch waren nach Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, auch der polnische Aussenminister Radoslaw Sikorski, der schwedische Aussenminister Carl Bildt und die französische Politikerin Elisabeth Guigou.

Die Sozialdemokraten hingegen unterstützen die Italienerin, da sie zwei der vier Brüsseler Spitzenposten beanspruchen – und damit auch denjenigen von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Als aussichtsreiche Kandidatin gilt hier die sozialdemokratische dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt.

Gemäss EU-Parlamentschef Martin Schulz, selber Sozialdemokrat, haben die Sozialdemokraten schliesslich am Dienstag im EU-Parlament bei der Wahl Junckers zum Kommissionspräsidenten mitgezogen. «Es ist ganz logisch, dass wir beide Posten beanspruchen», sagte er.

Die Vergabe der Spitzenämter ist äusserst kompliziert, denn nach ungeschriebenen EU-Gesetzen muss es einen Ausgleich geben zwischen Konservativen und Sozialisten, Nord und Süd, Männern und Frauen sowie zwischen der Eurozone und allen 28 EU-Staaten.

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