Nach dem deutlichen «Nein» der Griechen zu den Sparvorgaben der internationalen Geldgeber steuert die EU auf neue Gespräche zur Lösung der Schuldenkrise zu. Führende EU-Politiker forderten die Regierung in Athen auf, frische Vorschläge vorzulegen.
Die EU spielt nach dem Referendum den Ball an Griechenland zurück: Führende Politiker forderten die Regierung in Athen auf, frische Vorschläge vorzulegen. Um weitere Verhandlungen mit den Gläubigern zu erleichtern, trat am Montag der umstrittene griechische Finanzminister Gianis Varoufakis von seinem Amt zurück.
An den Finanzmärkten erholte sich der Eurokurs rasch von ersten Abschlägen am Morgen nach dem Referendum. Bei der Volksabstimmung hatte eine klare Mehrheit der Griechen gegen die strikten Sparvorgaben der Gläubiger gestimmt.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tspiras forderte nach dieser Bestätigung seiner Linie Zugeständnisse der Geldgeber – etwa Investitionen sowie eine Umstrukturierung der Schulden. Sein Land sei zu Reformen bereit. An seine Landsleute gewandt betonte Tsipras: «Das Mandat, das Sie mir erteilt haben, ruft nicht nach einem Bruch mit Europa, sondern verleiht mir eine grössere Verhandlungsmacht.»
Treffen zwischen Merkel und Hollande
Paris, Rom und Wien forderten von Athen fast wortgleich neue Ansätze zur Lösung der Krise. «Jetzt ist die griechische Regierung gefordert, Vorschläge zu machen, wie es weitergehen soll», sagte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann. Der Sozialdemokrat betonte, man müsse das Votum der Griechen respektieren.
Der französische Finanzminister Michel Sapin signalisierte am Montag Bereitschaft, über eine Verminderung der griechischen Schuldenlast zu verhandeln. Zunächst sei aber Athen am Zug: «Es ist jetzt an der griechischen Regierung, Vorschläge zu machen», sagte Sapin weiter.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wollte am Montagabend in Paris mit dem französischen Präsidenten François Hollande über die Konsequenzen aus dem griechischem Referendum beraten. «Beide sind sich darin einig, dass das Votum der griechischen Bürger zu respektieren ist», teilte das Bundespresseamt dazu mit.
Italien: keine Angst vor Ansteckungsgefahr
Ins gleiche Horn stiess der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella: «Die griechischen Bürger haben mit dem Referendum eine Entscheidung gefasst, die respektiert werden muss.» Dies bedeute für die EU bisher «unbekannte Szenarien», sagte er noch am Sonntagabend.
Italiens Aussenminister Paolo Gentiloni sprach sich für eine neue Vereinbarung mit Griechenland aus. Das politische Ziel müsse sein, eine Schnittstelle zu finden«, sagte er dem Rundfunkprogramm »Agorà« am Montag. Die Griechenlandkrise bedeute keine Ansteckungsgefahr für Italien. »Unser System ist in Sicherheit.“
Finnlands Finanzminister Alexander Stubb sieht Griechenland nach dem Nein seiner Bürger zum Sparkurs in einer Zwickmühle. «Die nähere Zukunft für Griechenland wird sehr schwierig», schrieb Stubb am Montag in seinem Blog. «Was auch immer geschieht, die Konsolidierung der Wirtschaft erfordert erhebliche Reformen.» Es sei jetzt an der griechischen Regierung zu interpretieren, was das Ergebnis des Referendums in der Praxis bedeute“, schrieb Stubb weiter.
Euro-Sondergipfel am Dienstag
Ausserdem nahm am Montag EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit EU-Gipfelchef Donald Tusk, Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank EZB, Mario Draghi Kontakt auf.
Der Rat der EZB wollte am Montagnachmittag telefonisch über die Lage beraten. Die meisten Beobachter rechnen damit, dass die EZB die Notkredite (Ela) für Griechenlands Banken aufrechterhalten wird, solange auf politischer Ebene weiter verhandelt wird. Die Ela (Emergency Liquidity Assistance) sind seit Monaten die einzige Geldquelle der griechischen Banken.
Für Dienstag hat EU-Ratspräsident Tusk die Staats- und Regierungschefs der 19 Euro-Länder zu einem Sondergipfel nach Brüssel eingeladen.
Vor dessen Beginn am Abend werden sich die Euro-Finanzminister treffen. «Die Minister erwarten neue Vorschläge von griechischer Seite», hiess es in einer knappen Erklärung der Euro-Gruppe, die vom EU-Rat am Montag veröffentlicht wurde.