Spitzenvertreter der EU fürchten durch die unklare Regierungsbildung in Grossbritannien Verzögerungen bei den bevorstehenden Brexit-Verhandlungen. Die Briten müssten ihre Mannschaft neu aufstellen, sagte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger.
«Deswegen erwarte ich eher Unsicherheit», ergänzte er am Freitag im Deutschlandfunk. Dass es in London politische Umwälzungen geben dürfte, betrachtet er nicht als Vorteil für die EU in den Gesprächen über die Austrittsbedingungen des Vereinigten Königreichs.
«Zwei starke Partner sind souverän, kommen schneller und besser zu Ergebnissen, die beide akzeptieren können. Ein geschwächter Partner schwächt die Verhandlungen insgesamt.»
Auch der finnische Ministerpräsident Juha Sipilä bezeichnete es als möglich, dass eine neue britische Regierung um eine Verschiebung der Gespräche bitten könnte, die eigentlich am 19. Juni beginnen sollten.
Der Staatsminister für Europa im deutschen Auswärtigen Amt, Michael Roth, forderte trotzdem eine schnellstmögliche Aufnahme der Verhandlungen. «Unabhängig von der Frage, wer bildet in Grossbritannien eine Regierung, läuft die Uhr», sagte er im ZDF. Die Verhandlungen sollen an den Allgemeinen Rat der Europa-Minister angedockt werden, in dem Roth sitzt.
«Autorität komplett verloren»
Frankreichs Regierungschef Edouard Philippe wollte sich auf Spekulationen, dass die Briten sich doch noch für einen Verbleib in der EU entscheiden könnten, nicht einlassen. Er erwarte aber lange und komplexe Gespräche.
EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici erklärte im französischen Radio, dass der Zeitplan für die Brexit-Verhandlungen, die laut EU-Verträgen im März 2019 abgeschlossen sein müssen, nicht optimal sei. Eine Verlängerung der Verhandlungen kann es nur mit Zustimmung aller EU-Staaten geben.
EU-Chefunterhändler Michel Barnier hatte wiederholt den Zeitplan wegen der komplexen Themen als sehr ambitioniert bezeichnet und darauf verwiesen, dass eine Einigung bereits im Herbst 2018 stehen muss. Denn das Verhandlungsergebnis muss noch von den Regierungen, den nationalen Parlamenten und dem EU-Parlament abgesegnet werden.
Der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok machte vor allem Premierministerin Theresa May für die neue Unsicherheit verantwortlich. Sie habe «komplett in dem Wahlkampf ihre Autorität verloren, und zwar auch in ihrer eigenen Partei, wo sie extrem geschwächt ist.» Nun werde kein Regierungschef den nötigen Spielraum mehr haben, einen Brexit-Deal auch sicher durch das britische Parlament zu bringen.