Der EU-Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag den Weg für ein Veto-Recht nationaler Parlamente gegen Freihandelsabkommen der EU geebnet. Laut den EU-Richtern fallen Verträge wie der mit Singapur nicht in die alleinige Zuständigkeit der EU-Institutionen.
Als Grund für seine Entscheidung führte der EuGH geplante Regeln zur Streitbeilegung zwischen Staaten und Investoren auf. Bestimmungen in Abkommen, die Streitigkeiten der gerichtlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten entziehen, könnten nicht ohne deren Einverständnis eingeführt werden, urteilte der EU-Gerichtshof.
Ausserdem lägen auch Bestimmungen zu Auslandsinvestitionen nicht in ausschliesslicher Zuständigkeit der EU-Institutionen, kommen die EU-Richter zum Schluss.
Zwar bezieht sich der Entscheid der EU-Richter konkret nur auf das mit Singapur ausgehandelte Freihandelsabkommen. Die Einschätzungen des EU-Gerichtshofes werden jedoch auch für alle zukünftigen anderen Abkommen gelten. Derzeit gibt es unter anderem Gespräche mit Japan und Mexiko.
Mit dem EuGH-Urteil können die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten nun entscheiden, dass ein Freihandelsabkommen auch ihren Parlamenten zuhause zur Zustimmung vorgelegt werden muss. Die Staaten könnten dies tun, um etwa der Skepsis in der Bevölkerung gegenüber grossen Freihandelsprojekten wie beispielsweise dem geplanten Abkommen TTIP zwischen der EU und den USA zu begegnen.
Rückschlag für EU-Kommission
Die Entscheidung des EuGH gilt als schwerer Rückschlag für die EU-Kommission von Jean-Claude Juncker. Die Brüsseler Behörde hatte die Position vertreten, dass nach EU-Recht lediglich eine Mitwirkung des EU-Parlaments und der Regierungen der Mitgliedstaaten am Abschluss der Freihandelsabkommen vorgesehen ist.
Sie befürchtet, dass die europäische Handelspolitik lahmgelegt werden könnte, wenn nicht nur das EU-Parlament sondern auch Parlamente in Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Theoretisch würde nämlich bereits das Nein eines nationalen Parlaments genügen, um ein Freihandelsprojekt zu stoppen.
Als Paradebeispiel gilt das Drama um das Freihandelsabkommens Ceta Zwischen der EU und Kanada im vergangenen Herbst. Auf politischen Druck hin hatte die EU-Kommission Ceta als Abkommen eingestuft, das der Zustimmung nationaler Parlamente bedarf.
Weil die politische Führung der belgischen Region Wallonie aus innenpolitischem Machtkalkül heraus der Föderalregierung die notwendige Zustimmung zur Unterzeichnung des Abkommens zeitweise verweigerte, wäre Ceta fast gescheitert. Für die EU war das Ganze international eine Blamage.
Freihandelsgegner erfreut
Gegner von Freihandelsabkommen begrüssten am Dienstag die Klarstellungen des EuGH, kritisierten allerdings, dass sie «viel zu spät» kämen.
«Wäre ein Alleingang der EU von Anfang an ausgeschlossen gewesen, hätte es eine viel breitere öffentliche Debatte über das Abkommen gegeben», kommentierte etwa die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch.