EU-Kommission geht noch schärfer gegen Polen vor

Die EU-Kommission legt im Streit mit dem Mitgliedsland Polen nach. Sie forderte am Mittwoch abermals volle Unabhängigkeit für das polnische Verfassungsgericht und setzte eine neue Frist von zwei Monaten.

Hat Bedenken, was den Umbau des polnischen Verfassungsgerichts angeht: Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission. (Bild: sda)

Die EU-Kommission legt im Streit mit dem Mitgliedsland Polen nach. Sie forderte am Mittwoch abermals volle Unabhängigkeit für das polnische Verfassungsgericht und setzte eine neue Frist von zwei Monaten.

Gleichzeitig drohte Vizepräsident Frans Timmermans mit weiteren Schritten, die letztlich zum Entzug des Stimmrechts Polens in der EU führen könnten.

Dafür wäre allerdings ein Konsens mit dem EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten nötig, der im Moment nicht erkennbar ist. Ob die beiden anderen Institutionen mitziehen, «werden wir überprüfen müssen in den nächsten Monaten», sagte Timmermans.

Die polnische Regierung unter der rechtskonservativen Partei PiS hatte Ende 2015 Reformen unter anderem von Justiz und Medien begonnen, die erst am Wochenende wieder Tausende Polen auf die Strassen trieben.

Kontrolle über Verfassungsgericht ausgebaut

Die Regierung baut ihre Kontrolle über das Verfassungsgericht jedoch aus. Präsident Andrzej Duda nominierte am Mittwoch die konservative Richterin Julia Przylebska als Präsidentin des Verfassungsgerichts in Warschau. Sie löst den bisherigen Gerichtschef Andrzej Rzeplinski ab; die Amtszeit des regierungskritischen Richters war am Montag turnusgemäss ausgelaufen.

Von der neuen Gerichtspräsidentin wünsche er sich, dass sie «die Ordnung am Gericht wiederherstellt», sagte Duda. Er hoffe, dass mit Przylebskas Nominierung die «schockierenden Streitereien aufhören, die ein normales Funktionieren unmöglich gemacht haben».

Bei der Nominierung der neuen Chefrichterin stützte sich der Präsident auf ein erst kürzlich verabschiedetes Gesetz, das die Modalitäten zur Besetzung des Gerichtspräsidiums änderte.

Der scheidende Gerichtspräsident Rzeplinski hatte dieses Gesetz – wie auch andere das Verfassungsgericht betreffende Gesetze der polnischen Rechtsregierung – als verfassungswidrig eingestuft.

EU-Verfahren

Die EU-Kommission führt schon seit Januar ein Verfahren wegen möglicher Verstösse gegen die Rechtsstaatlichkeit. Anlass war vor allem der Umbau des polnischen Verfassungsgerichts, der aus Brüsseler Sicht dessen Kontrollfunktion untergräbt.

Timmermans sagte, die Bedenken bestünden fort und inzwischen seien sogar neue hinzugekommen. Es gehe um die Bestimmung der Richter, die Veröffentlichung der Urteile und um das Gesetz über die Funktionsweise des Gerichts.

«Wir sehen ein hartnäckiges Problem für die Rechtsstaatlichkeit», sagte Timmermans. «Die Rechtsstaatlichkeit ist das Fundament, auf das unsere gesamte europäische Struktur gebaut ist.» Auch die polnischen EU-Bürger hätten das Recht auf eine unabhängige Justiz.

Änderungen reichten nicht

Ende Juli hatte Brüssel der Regierung in Warschau eine Frist von drei Monaten gesetzt, um den Bedenken Rechnung zu tragen. Polen reagierte mit Änderungen, die der EU aber nicht reichen.

Timmermans sagte: «Ich kann nicht sagen, dass meine Erfahrungen im letzten Jahr zu Optimismus führen.» Doch wolle er alles versuchen. Sollte es keine Lösung geben, sei ein Verfahren nach Artikel 7 nicht ausgeschlossen.

Artikel 7 des EU-Vertrags sieht vor, dass bei einer «schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung» der europäischen Werte einem Mitgliedsland in letzter Konsequenz die Stimmrechte entzogen werden können.

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