Die EU-Kommission will Flüchtlinge in Europa künftig gerechter per Quote verteilen. Schützbedürftige Flüchtlinge sollen mit Hilfe eines Schlüssels auf alle 28 EU-Staaten aufgeteilt werden.
Dieses Verfahren soll «eine faire und ausgewogene Teilhabe aller EU-Staaten» gewährleisten. Das steht im Entwurf für die Einwanderungsagenda, welche die EU-Behörde am Mittwoch in Brüssel vorstellen will.
Basis für die Verteilung der Asylbewerber sollen demnach Kriterien wie die Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandprodukt), die Bevölkerungszahl, die Arbeitslosenquote und die bisher aufgenommenen Asylbewerber sein. «Solidarität muss geteilt werden», sagte eine Kommissionssprecherin.
Solche Quoten sind in Europa sehr umstritten. Deutschland, Schweden und auch Italien, die derzeit besonders viele Asylbewerber aufnehmen, setzen sich dafür ein.
Grossbritannien und einige ostmitteleuropäische Ländern lehnen Quoten ab. Dies sei «nicht die richtige Antwort», sagte ein Sprecher des britischen Innenministeriums in London und forderte den vermehrten Kampf gegen Schleuserbanden. Grossbritannien hat das Recht, in diesem Bereich aus gemeinsamen Beschlüssen auszusteigen («Opt Out»).
Mehr Grenzkontrollen gefordert
Die lettische Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma forderte in Riga statt einer Quote mehr Grenzkontrollen sowie medizinische Hilfe für Flüchtlinge.
Vorschläge der EU-Kommission können nur Gesetz werden, wenn die EU-Staaten zustimmen. Bisher müssen nach dem Dublin-Verfahren Asylbewerber in dem Land bleiben, in dem sie zuerst den Boden der EU betreten haben. Dort werden ihre Anträge bearbeitet.
Das überfordert Länder wie Italien oder Griechenland, wo besonders viele Bootsflüchtlinge über das Mittelmeer ankommen. Dort tauchen Flüchtlinge oft unter und reisen nach Deutschland oder Schweden weiter, wo Anträge häufiger Erfolg haben.
Dublin-System soll bleiben
Das Dublin-System solle aber nicht abgeschafft werden, sagte eine Kommissionssprecherin: «Wir werden am Mittwoch erklären, wie die Pläne innerhalb des Dublin-Systems funktionieren.»
Beim EU-Sondergipfel Ende April hatten die Staats- und Regierungschefs bereits über Quoten diskutiert, sich aber nicht einigen können. Beim nächsten Gipfel Ende Juni steht das Thema wieder auf der Tagesordnung.
Nach den jüngsten Bootsunglücken im Mittelmeer mit Hunderten Toten hatte die EU bereits Ende April entschieden, ihre Mittel für die Seenotrettung zu verdreifachen und mehr Schiffe zu schicken. Damit stehen für die EU-Grenzschutzmissionen «Triton» und «Poseidon» monatlich rund 9 Millionen Euro pro Monat zur Verfügung.
Anlaufstelle für Flüchtlinge in Niger
Der Vorschlag der EU-Kommission umfasst auch Massnahmen, um gegen Schleuserbanden vorzugehen und die legale Zuwanderung etwa von qualifizierten Arbeitskräften in die EU-Staaten zu erleichtern. Als Pilotprojekt ist eine Anlaufstelle für Flüchtlinge in Niger geplant, wo Menschen Schutz finden und sich für die Aufnahme in Europa bewerben können.
Ausserdem will die EU-Behörde anerkannte Flüchtlinge von ausserhalb der EU umsiedeln, etwa aus Lagern rund um Syrien. Die EU-Kommission nennt in ihrem Entwurf noch keine Zahl.
Die Zahl der anerkannten Asylbewerber ist im vergangenen Jahr in Europa deutlich gestiegen. Demnach erkannten die EU-Staaten 185’000 Menschen als schutzbedürftig an, das waren 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Das teilte die EU-Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg mit. Mehr als ein Drittel davon waren Syrer, die wegen des Bürgerkriegs aus ihrem Land flohen.