Die EU-Kommission hat am Mittwoch ein Programm mit Kosten von 90 Millionen Euro für Flüchtlinge in Libyen verabschiedet. Zudem stellte sie Massnahmen vor für den verstärkten Schutz von nach Europa flüchtenden Kindern und unbegleiteten Minderjährigen.
«Die Zahl der Kinder, die in die EU ohne ihre Familien kommen, ist dramatisch angestiegen», sagte der EU-Kommissionsvize Frans Timmermans in Brüssel. So seien in den vergangenen zwei Jahren rund 30 Prozent der Asylbewerber in der EU Kinder gewesen.
EU-Migrationskommissar Dimitris Avromopoulos sagte dazu: «Kinder sind die am stärksten gefährdeten Migranten, und wir sollten in unserer Migrationspolitik dafür sorgen, dass ihr Schutz, sobald sie ihre Heimatländer verlassen, einheitlich gewährleistet wird.»
EU-Massnahmenpaket
Die EU-Kommission schlägt daher ein Massnahmenpaket vor. So sollen in allen Aufnahmezentren Personen benannt werden, die für die rasche Identifizierung und Registrierung der Kinder zuständig sind. Die EU-Staaten sollen systematisch Informationen über vermisste Kinder austauschen.
Kinder müssen gemäss Brüssel bei ihrer Ankunft als Flüchtlinge zudem ohne Verzögerung Zugang zu Rechtshilfe, Gesundheitsversorgung, psychologischer Unterstützung und Bildung haben.
Ausserdem soll ein Netzwerk von Erziehungsberechtigten eingerichtet werden, um beste Praktiken auszutauschen, eine frühzeitige Integration der Flüchtlingskinder zu fördern und Verfahren zur Familienzusammenführung zu verstärken.
Die EU-Staaten sollten zudem verstärkt schutzbedürftige Kinder aus Umsiedlungsprogrammen aufnehmen, das heisst bereits anerkannte Flüchtlinge aus Drittstaaten ausserhalb der EU. Ausserdem will die EU-Kommission Kinder entlang der Flüchtlingsrouten besser vor Menschenhändlern schützen.
Mehr Schutz für Flüchtlinge in Libyen
Ausserdem genehmigte die EU-Kommission ein Libyen-Programm mit Kosten von insgesamt 90 Millionen Euro. 48 Millionen sind vorgesehen, um den Zustrom von Migranten über das Mittelmeer einzudämmen, indem etwa Rückkehrhilfen bezahlt und die Reintegration in die Herkunftsländer gefördert werden. Gleichzeitig soll aber auch der Schutz von in Libyen lebenden Flüchtlingen verbessert werden.
Mit 42 Millionen Euro will die EU lokale Verwaltungen und die sozioökonomische Entwicklung auf kommunaler Ebene unterstützen.
Die Lebensbedingungen für Flüchtlinge und Migranten in Libyen gelten als katastrophal. Erst am Dienstag hatte die Internationale Organisation für Migration (IOM) von einem Sklavenhandel mit Hunderten Flüchtlingen und Migranten berichtet.
EU-interne Umverteilung
Bei der umstrittenen EU-internen Umverteilung von Flüchtlingen sieht die EU-Kommission «stetige Fortschritte». Im vergangenen Monat seien mit 2465 Flüchtlingen so viele Menschen aus Italien und Griechenland in andere EU-Staaten umverteilt worden wie nie zuvor, teilte die Behörde ebenfalls am Mittwoch mit.
Sie begrüsste ausserdem, dass sich nun auch Österreich an der Flüchtlingsaufnahme beteiligen wird. Das Land hatte von einer befristeten Ausnahmeregelung profitiert, weil es im Sommer 2015, als Tausende Flüchtlinge und Migranten durch Europa zogen, stark belastet worden war.
Von ihrem Ziel ist die EU aber noch meilenweit entfernt: 2015 hatte sie beschlossen, bis zum Herbst 2017 insgesamt 160’000 Flüchtlinge umzuverteilen. Nach den neusten Daten der EU-Kommission wurden bisher aber erst 16’340 Asylbewerber umverteilt – 11’339 davon kamen aus Griechenland und 5001 aus Italien.
Widerstand aus Osteuropa
Der Widerstand gegen das EU-Programm ist vor allem in Osteuropa gross. Ungarn und Polen haben bis jetzt keine Flüchtlinge übernommen. Ungarn und die Slowakei haben dagegen vor dem EU-Gericht (EuGH) geklagt. EU-Migrationskommissar Avramopoulos bekräftigte, dass die EU-Kommission bereit sei, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn es keine Fortschritte gebe.
Die Schweiz, die sich via Dublin-Abkommen teilweise an der EU-Asylpolitik beteiligt, macht freiwillig an der Umverteilung der EU mit – mit der Übernahme von 1500 Flüchtlingen. Bis anhin kamen 546 Flüchtlinge aus Italien und 220 aus Griechenland in die Schweiz.