Die EU zeigt sich beunruhigt über die Lage in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch durch Teile des Militärs. Am Montag warf die EU-Kommission der türkischen Regierung Verstösse gegen die Rechtsstaatlichkeit vor.
Man habe sofort nach den Ereignissen die Erwartung geäussert, dass die Aufarbeitung nach internationalem Recht erfolge, sagte der für die EU-Beitrittskandidaten zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn am Montag in Brüssel vor einem Treffen der EU-Aussenminister. «Nach dem, was wir sehen, ist das nicht wirklich der Fall.»
Hahn zeigte sich speziell über die Festnahme von Richtern beunruhigt. «Das ist genau das, was wir befürchtet haben», sagte er. Zudem äusserte er die Vermutung, dass die türkische Regierung ein Vorgehen gegen Gegner bereits länger geplant hatte. «Dass Listen direkt nach den Vorkommnissen vorhanden waren, deutet darauf hin, dass sie vorbereitet waren und zu einem bestimmtem Moment genutzt werden sollten.»
Todesstrafe mit EU-Beitritt unvereinbar
Rechtsstaatlichkeit und demokratische Grundsätze müssten eingehalten werden – auch «zum Wohle des Landes selbst», sagte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini. Es gebe «keine Entschuldigung» für Schritte, die das Land von rechtsstaatlichen Grundsätzen entfernten.
Mogherini schloss einen EU-Beitritt der Türkei bei Wiedereinführung der Todesstrafe aus. «Kein Land kann Mitglied der EU werden, wenn es die Todesstrafe wieder einführt, lassen Sie mich da ganz klar sein», sagt Mogherini in Brüssel in einer Pressekonferenz mit US-Aussenminister John Kerry.
«Wir müssen wachsam sein, dass die türkische Regierung kein politisches System einführt, das sich von der Demokratie abwendet», sagte Frankreichs Aussenminister Jean-Marc Ayrault. Das Vorgehen gegen Regierungsgegner dürfe nur im Rahmen des Rechtsstaats erfolgen und nicht «zu autoritärer Herrschaft» führen.
Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn warnte Erdogan davor, «mit Emotionen» auf den Putsch zu reagieren. Die Rechtsstaatlichkeit sei «ein sehr hohes Gut», das für die Zukunft der Türkei wichtig sei.
Der belgische Aussenminister Didier Reynders verlangte von seinen EU-Kollegen «heute sehr standhaft» zu sein. Wenn Erdogan die Todesstrafe wieder einführen wolle, sei das ein Problem für die EU.
Entlassungen und Verhaftungen
Nach dem fehlgeschlagenen Putsch sind in der Türkei fast 9000 Beamte entlassen worden. Insgesamt 8777 Staatsbedienstete seien ihrer Posten enthoben worden, darunter 30 Gouverneure und 52 Inspekteure, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf das türkische Innenministerium.
Nach dem Putschversuch waren bereits am Wochenende rund 6000 Menschen festgenommen worden, darunter mehr als hundert Generäle und Admiräle.
Truppen in Istanbul
In Istanbul wurden am Montag 1800 zusätzliche Spezialkräfte zusammengezogen. Diese Kräfte mit gepanzerten Fahrzeugen würden an strategisch wichtigen Einrichtungen und Strassen der grössten Stadt des Landes eingesetzt, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.
Der Polizeichef Istanbuls, Mustafa Caliskan, habe zudem den Befehl gegeben, unbekannte Helikopter ohne Vorwarnung abzuschiessen. In der Nacht patrouillierten im gesamten türkischen Luftraum F16-Flugzeuge. Putschisten hatten bei ihrem Umsturzversuch in der Nacht auf Samstag Kampfjets sowie Helikopter gekapert und unter anderem das Parlament in Ankara bombardiert.