Die EU braucht nach Ansicht von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Vertragsänderungen für «mehr Europa» in manchen Politikbereichen. In seiner jährlichen Rede zur Lage der Union versprach er vor dem EU-Parlament in Strassburg aber auch Selbstbeschränkung:
«Nicht alles braucht eine europäische Lösung», sagte Barroso am Mittwoch. Subsidiarität – also die Zuständigkeit lokaler, regionaler und nationaler Stellen – sei «ein grundlegendes demokratisches Prinzip». «Die EU muss gross bei grossen Fragen und klein bei kleinen Fragen sein – etwas, was wir vielleicht in der Vergangenheit gelegentlich missachtet haben», sagte Barroso.
Es gebe aber vor allem in Wirtschafts- und Finanzfragen Bereiche, in denen die «Glaubwürdigkeit des politischen Konstrukts» wichtig sei. Die Kommission wünsche eine Diskussion über Vorschläge für die «mittel- und langfristige Vertiefung unseres institutionellen Rahmens».
Noch vor den Europawahlen vom Mai 2014 wolle er Vorschläge für «die Zukunft der Union und die Stärkung und Vertiefung der Gemeinschaftsmethode» vorlegen, sagte Barroso.
Auch der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, hatte zuvor gewarnt, die «Gemeinschaftsmethode» – also Entscheidungen aller EU-Mitglieder statt nationaler Regierungen – dürfe nicht durch das «Recht des Stärkeren» und die Spaltung der EU in verschiedene Untergruppen ersetzt werden. Es gebe zahlreiche Probleme, die nicht national gelöst werden könnten.
Einhaltung von Grundrechten und -werten besser kontrollieren
In seiner Rede sagte Barroso zudem, die Kommission werde auch Vorschläge machen, wie die Einhaltung der EU-Verträge – vor allem der Grundrechte und Grundwerte – künftig besser kontrolliert werden könne, ohne Regierungen mit der Aussetzung ihrer Stimmrechte zu drohen.
Die EU-Kommission hatte in der Vergangenheit vor allem in Ungarn, Bulgarien und Rumänien schwere Defizite bei der Wahrung von Grundrechten beklagt.
Der Kommissionspräsident wiederholte ausserdem vor den EU-Parlamentariern, die Finanz- und Schuldenkrise sei noch nicht vorbei, doch habe Europa im vergangenen Jahr erhebliche Fortschritte gemacht. «Für Europa ist der Aufschwung in Sicht.» Wichtig sei nun vor allem ein rascher Beschluss über die Bankenunion. Dies sei auch ein Schritt zu mehr Wachstum.
Unterschiedliche Reaktionen aus EU-Parlament
Im EU-Parlament erntete die Rede von Barroso sowohl Lob wie auch Tadel. Für Joseph Daul, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), beginnen die bisher ergriffenen Massnahmen der Kommission Früchte zu tragen.
Weniger positiv äusserte sich hingegen der Vorsitzende der Sozialdemokraten (SPE), Hannes Swoboda. Für ihn sei das Glas immer noch halb leer. Als «Skandal» bezeichnete es der SPÖ-Politiker Swoboda, wenn 31 neue Arbeitsplätze in Spanien gelobt würden. Wenn man von Erholung rede, habe man tausende neue Arbeitsplätze im Sinn und nicht 31.