Wenige Wochen nach dem Beitritt zur EU droht Kroatien Ärger mit Brüssel: Der Neuling weigert sich, einen Strafbefehl gegen einen gesuchten Verbrecher zu vollziehen. Eine Sprecherin von EU-Justizkommissarin Viviane Reding sprach von einem «Vertrauensbruch».
Kaum Mitglied in der Europäischen Union hat Kroatien bereits Ärger mit Brüssel: Eine Sprecherin von EU-Justizkommissarin Viviane Reding warnte die Regierung in Zagreb am Montag vor Strafmassnahmen, wenn sie von anderen EU-Staaten gesuchte Straftäter nicht gemäss den Regeln des europäischen Haftbefehls ausliefert.
Kroatien drohe dann unter anderem die Kürzung von EU-Hilfszahlungen, hiess es aus Kommissionskreisen. Die Sprecherin Redings bezeichnete es als «Vertrauensbruch», dass nur drei Tage vor der Aufnahme des Landes in die Europäische Union am 1. Juli ein Gesetz vom kroatischen Parlament beschlossen wurde, das vor August 2002 begangene Verbrechen von dem Haftbefehl ausschliesst.
Die von Kroatien nach Zustimmung zur Aufnahme des Landes in die EU noch beschlossene Sonderregelung betrifft nicht nur die Zeit der Balkan-Kriege (1991-95), sondern auch den Fall des früheren jugoslawischen Geheimdienstagenten Josip Perkovic, dessen Auslieferung von Deutschland gefordert wird. Die deutschen Behörden suchen Perkovic wegen eines Mordes an einem Kroaten in Bayern im Jahr 1983 (diesen und andere Morde hat die «Süddeutsche Zeitung» in einem Hintergrundartikel beleuchtet).
Da die Regierung in Zagreb der Forderung Redings nach einer korrekten Anwendung des Europäischen Haftbefehls nicht nachgekommen ist und eine am Freitag ausgelaufene Frist für eine Stellungnahme ohne Antwort verstreichen liess, will die EU-Justizkommissarin das Thema in der kommenden Woche im Kreis ihrer Kollegen zur Sprache bringen – und über mögliche Strafmassnahmen gegen den EU-Neuling beraten.
Kroatien könnten nach Angaben aus Kommissionskreisen Zahlungen aus den EU-Regionalfonds verweigert werden. Zudem droht dem Balkanstaat demnach, dass die EU-Kommission ebenso wie in Rumänien und Bulgarien in regelmässigen Berichten den Zustand von Justizwesen und Rechtsstaatlichkeit überprüft und bewertet.