Die EU eröffnet erstmals seit drei Jahren wieder ein neues Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei: Die EU-Staaten stimmten am Dienstag dafür, mit der Regierung in Ankara das Themengebiet Regionalpolitik anzugehen. Weiter Kritik gibt es jedoch an dem Umgang der türkischen Regierung mit Strassenprotesten.
«Ich begrüsse, dass die Mitgliedstaaten die gemeinsame EU-Position bestätigt haben, das Kapitel 22 zur Regionalpolitik mit der Türkei zu eröffnen», erklärte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle nach dem einstimmigen Beschluss der EU-Aussen- und Europaminister in Luxemburg. Die offizielle Eröffnung des Themengebiets soll bei einem Ministertreffen am 5. November in Brüssel stattfinden.
Die Eröffnung des Kapitels war im Sommer noch auf Drängen von Deutschland verschoben worden. Dies wurde insbesondere mit Kritik an der Polizeigewalt gegen landesweite regierungskritische Proteste begründet, die sich an einem Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park entzündet hatten.
In einem letzte Woche publizierten Fortschrittsbericht hatte die EU-Kommission erneut das harte Vorgehen der Behörden gegen die Gezi-Proteste kritisiert, aber dennoch die Eröffnung des Kapitels 22 empfohlen.
EU-Botschafter übt Kritik an Ankara
In der EU gibt es aber auch immer noch Kritik am Umgang der türkischen Behörden mit Strassenprotesten. Offenbar hätten einige ihre Lektion aus den Unruhen vom Juni nicht gelernt, sagte der scheidende EU-Botschafter in Ankara, Jean-Maurice Ripert, nach Medienberichten vom Dienstag in Ankara.
Ripert bezog seine Kritik auf das kompromisslose Vorgehen der Behörden angesichts von Protesten gegen ein Strassenbauprojekt in der türkischen Hauptstadt.
Bei dem Projekt in Ankara geht es um den Bau einer Strasse durch ein baumbestandenes Universitätsgelände, das trotz eines noch laufenden Gerichtsverfahrens durchgezogen wird. Ripert kritisierte, dass die Gerichtsentscheidung nicht abgewartet werde.
Schleppende EU-Beitrittsverhandlungen
Erweiterungskommissar Füle forderte daher, auch die Gespräche über die Kapitel zu Grundrechten und zur Justizpolitik anzugehen. «Die jüngsten Entwicklungen in der Türkei unterstreichen die Bedeutung des Engagements der EU. Die EU muss der Massstab für Reformen in der Türkei bleiben», liess er verlauten.
Die EU-Beitrittsgespräche mit der Regierung in Ankara sind bis anhin schleppend verlaufen. In der Türkei wächst der Verdruss über die Situation, denn das Land verhandelt bereits seit Oktober 2005 mit der EU. Insgesamt gibt es 35 Verhandlungskapitel.
«Glückwunsch an die türkischen Freunde», twitterte der litauische Aussenminister Linas Linkevicius als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft. «Es ist an der Zeit aufzuholen!»