EU-Parlament bringt stärkere Regeln für Ratingagenturen auf den Weg

Ratingagenturen müssen sich in der Europäischen Union ab dem Frühjahr an schärfere Regeln halten. Anleger können künftig Unternehmen wie Moody’s, Fitch oder Standard & Poor’s für schwere Fehler bei Bewertungen haftbar machen.

Moody's und Co. sollen in Zukunft im EU-Raum für Bonitätsbewertungen von Staaten haften sowie Rating-Kriterien offenlegen (Symbolbild) (Bild: sda)

Ratingagenturen müssen sich in der Europäischen Union ab dem Frühjahr an schärfere Regeln halten. Anleger können künftig Unternehmen wie Moody’s, Fitch oder Standard & Poor’s für schwere Fehler bei Bewertungen haftbar machen.

Vor Gericht können Anleger Schadenersatz für Verluste einklagen, wenn Ratingagenturen ein Unternehmen oder einen Staat absichtlich oder fahrlässig falsch beurteilen. Zudem dürfen Ratingagenturen EU-Staaten nur noch zu festen Terminen bewerten. Diese neuen Auflagen hat das Parlament am Mittwoch in Strassburg beschlossen.

Es ist der letzte Schritt der Gesetzgebung. Nach der Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten, die eine Formalie ist, werden die Regeln im März oder April in Kraft treten.

Die Bekanntgabe der Noten (Bonitätsbewertungen) von Staaten wird beschränkt: Die Agenturen dürfen Staaten nur noch an drei zuvor festgelegten Terminen im Jahr bewerten. Dies ist zudem nur ausserhalb der europäischen Börsenzeiten erlaubt, weiter müssen sie die Regierungen vorher informieren.

Die Unternehmen müssen offenlegen, nach welchen Kriterien sie die Bewertung erteilt haben. Es gibt weltweit drei grosse Ratingagenturen, die ihren Sitz in New York oder London haben: Moody’s, Standard & Poor’s (S&P) und Fitch.

Kommission wollte weiter

Allerdings bleiben wegen der Position der EU-Mitgliedsländer die Auflagen weit hinter den Plänen der EU-Kommission zurück. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hatte zunächst geplant, den Ratingagenturen die Bewertung von Ländern, die internationale Finanzhilfe erhalten, zu verbieten – also etwa Griechenland oder Portugal.

Auch hatte die EU-Kommission einen Entwurf vorgelegt, nach dem Unternehmen dazu verpflichtet werden sollten, sich immer wieder von anderen Agenturen bewerten zu lassen. Durch das Rotationsprinzip sollte neuen Agenturen der Markteintritt erleichtert werden. Doch dieses Ziel wurde aufgegeben: Nun sind die Rotationen auf bestimmte komplexe Finanzprodukte beschränkt.

Der europäische Kommissar Barnier begrüsste den Beschluss dennoch und sagte: „Die Entscheidung ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Finanzmärkte strenger zu überwachen und auf die Finanzkrise zu antworten.“

Um die Unabhängigkeit der Agenturen zu stärken, werden für Beteiligungen strikte Vorgaben gemacht. So gibt es Grenzen für Anteile, die ein Investor an mehreren Ratingagenturen halten darf, und umgekehrt für die Beteiligung einer Agentur an einem Unternehmen, das sie bewertet.

Agenturen haben schlechten Ruf

Mit der Neuregelung reagiert die EU auf die harsche Kritik an der Rolle der Ratingagenturen in der Finanz- und Euro-Schuldenkrise. Barnier sagte: „Wir alle wissen, dass die Ratingagenturen stark zur Finanzkrise beigetragen haben.“

Ihnen wird vorgeworfen, die Krise durch falsche Bewertungen von verschuldeten Staaten verschärft und mit Veröffentlichungen kurz vor EU-Gipfeln in die Politik eingegriffen zu haben.

Die Pläne, als Gegengewicht eine unabhängige europäische Ratingagentur zu gründen, legte die EU auf Eis. Erst 2016 will die EU-Kommission dazu einen Bericht vorlegen.

Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit etwa von Unternehmen oder Staaten. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Schuldenkrise: Wenn sie einen Staat deutlich herabstufen, kann dies zur Folge haben, dass er seinen Gläubigern mehr Zinsen für geliehenes Geld zahlen muss.

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