Das Europaparlament will die umstrittene Verfassungsänderung in Ungarn genau unter die Lupe nehmen. Der Ausschuss für Bürgerrechte solle prüfen, ob und inwieweit die Neuregelungen etwa die Unabhängigkeit der Justiz oder die Pressefreiheit einschränken, beschloss das Strassburger Parlament.
Der ungarischen Regierungschefs Viktor Orban will sich in einem Brief zu der Kritik der EU-Kommission äussern. Falls die Überprüfung ergibt, dass die rechtskonservative ungarische Regierung den EU-Vertrag verletzt, will das Parlament juristische Schritte gegen das osteuropäische Land beantragen.
Dazu könne der Artikel 7 des EU-Vertrags angewandt werden, heisst es in der Entschliessung des Europaparlaments vom Donnerstag. Er sieht Sanktionen, bis hin zum Entzug der Stimmrechte im Ministerrat, für den Fall vor, dass ein Land demokratische Grundsätze der EU dauerhaft verletzt.
Politisches Neuland
Die Sanktionen können vom Ministerrat beschlossen werden, in dem die EU-Staaten vertreten sind. Bisher wurde dieser Artikel aber nie angewandt.
Auch die EU-Kommission hatte eine Überprüfung der umstrittenen Rechtsvorschriften angekündigt und Mitte Januar drei Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Im Visier sind dabei drei Gesetze, die die Unabhängigkeit der Notenbank, der Justiz und der Datenschutzbehörde betreffen. Die ungarische Regierung hatte diese Gesetze im Zuge der Verfassungsreform im Schnellverfahren durchs Parlament gebracht.
Orban verspricht Änderungen
Orban sagte am Donnerstag im Radio MR1, die ungarische Regierung habe ein Schreiben vorbereitet, das am Freitag nach Brüssel geschickt werde. Er sagte erneut einige Änderungen an den von der EU-Kommission beanstandeten Gesetzen zu.
Grundlegende „Neuheiten“ werde es aber nicht geben. Insgesamt erwarte er „relativ einfache“ Verhandlungen mit Brüssel. Zur umstrittenen neuen Pensionsregelung für Richter sagte Orban, dass in Ungarn eine „grundlegende Rentenreform“ in Arbeit sei, „die auch die Richter betrifft“.