EU-Parlament übt massive Kritik an türkischem Regierungschef

Das EU-Parlament hat angesichts der gewaltsamen Niederschlagung regierungskritischer Proteste in der Türkei scharfe Kritik an Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geäussert. Indem er «versöhnliche Schritte» ablehne, habe Erdogan zu einer «Polarisierung» der türkischen Gesellschaft beigetragen, erklärte das Strassburger Parlament am Donnerstag in einer Entschliessung.

Stress für den türkischen Regierungschef Erdogan hinterlässt Spuren (Bild: sda)

Das EU-Parlament hat angesichts der gewaltsamen Niederschlagung regierungskritischer Proteste in der Türkei scharfe Kritik an Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geäussert. Indem er «versöhnliche Schritte» ablehne, habe Erdogan zu einer «Polarisierung» der türkischen Gesellschaft beigetragen, erklärte das Strassburger Parlament am Donnerstag in einer Entschliessung.

Er müsse nun eine «vermittelnde und versöhnliche Position» einnehmen um eine weitere Eskalation zu vermeiden, hiess es weiter. Zugleich äusserte sich das EU-Parlament «zutiefst besorgt über die unverhältnismässige und überzogene Anwendung von Gewalt», mit der die türkische Polizei auf die «friedlichen und rechtmässigen Proteste» reagiert habe. Die türkischen Behörden müssten die Polizeigewalt «gründlich untersuchen» und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Der türkische Aussenminister Ahmet Davutoglu wies die Kritik umgehend scharf zurück. Die Haltung des EU-Parlaments sei «inakzeptabel», sagte er vor Journalisten in Ankara. Die Türkei sei eine «Demokratie erster Klasse», die es nicht nötig habe, Lektionen von irgend jemandem erteilt zu bekommen.

Nachdrücklich forderte das EU-Parlament die konservative Regierung in Ankara auf, das Recht der Bürger auf Meinungsfreiheit, friedliche Demonstrationen und friedlichen Protest zu garantieren.

Ausserdem forderten die Europa-Abgeordneten die «unverzügliche Freilassung» aller inhaftierten friedlichen Demonstranten und Medienvertreter. Zugleich verlangte die EU-Volksvertretung von Ankara Auskunft über die genaue Zahl der Festgenommenen und Verletzten.

Die «beispiellose Welle der Proteste» richte sich auch gegen Erdogans «autoritären Regierungsstil» und den Mangel an Rechtsstaatlichkeit in der Türkei. Zudem gebe es Rückschritte bei der Pressefreiheit und eine «zunehmende Selbstzensur» der türkischen Medien. Besonders besorgniserregend sei die hohe Zahl inhaftierter Journalisten und die zahlreichen laufenden Strafverfahren gegen Medienvertreter.

Zuvor hatte Erdogan den Druck auf die türkische Protestbewegung erhöht. Nachdem er zunächst eine Volksabstimmung über die Zukunft des Gezi-Parkes ins Spiel gebracht hatte, forderte er am Donnerstag friedliche Demonstranten auf, das Gelände am Rande des Taksim-Platzes zu verlassen.

«Ich warne zum letzten Mal: Mütter, Väter, bitte holt eure Jugendlichen ab», zitierten türkische Medien den Regierungschef. Die Polizei solle dort gegen Mitglieder illegaler Organisationen vorgehen.

Erdogans Vorschlag, das Volk über das umstrittene Bauprojekt im Gezi-Park abstimmen zu lassen, stiess im Protestlager auf Ablehnung. Demonstranten sagten, ein Referendum könne den Streit um Grundrechte und persönliche Freiheiten nicht lösen.

In der Nacht hatte es neue Proteste gegen Erdogan auf dem Taksim-Platz gegeben, ohne dass die Polizei wie zuvor gewaltsam eingegriffen hätte. Die landesweite Protestwelle in der Türkei hatte sich vor zwei Wochen an der brutalen Räumung eines Protestlagers im Gezi-Park entzündet.

Die Regierung plant dort den Nachbau einer osmanischen Kaserne, in der es Wohnungen, Geschäfte oder ein Museum geben soll. Inzwischen richten sich die Demonstrationen aber vor allem gegen Erdogans autoritären Regierungsstil.

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