EU-Parlamentspräsident Martin Schulz droht der Türkei angesichts der politischen Entwicklung mit Strafmassnahmen. «Wir werden als EU darüber nachdenken müssen, welche wirtschaftlichen Massnahmen wir ergreifen können», sagte Schulz der «Bild am Sonntag».
Bis Ende des Jahres solle die Zollunion, in der auch die Türkei Mitglied ist, reformiert werden. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir nach dieser Verhaftungswelle gegen Oppositionsabgeordnete und Journalisten die Zollunion ausweiten.»
Trotz der Lage in der Türkei will Schulz die Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Ankara möglichst fortführen. «Wenn wir die Beziehungen zur Türkei abbrechen, haben wir keine Möglichkeiten mehr, der Opposition und den Gefangenen zu helfen.» Deshalb sei er weiterhin für einen Dialog. «Wenn die Türkei die Todesstrafe wieder einführen würde, wären die Beitrittsverhandlungen beendet», machte er jedoch deutlich.
«Wir haben andere Instrumente»
Auch EU-Kommissar Günther Oettinger sprach sich gegen ein Ende der Beitrittsverhandlungen aus. «Wirtschaftssanktionen oder ein Einfrieren der Beitrittsgespräche wären derzeit völlig kontraproduktiv, weil sie unseren Einfluss auf die Türkei in dieser schwierigen Phase schwächen würden», sagte Oettinger der «Welt am Sonntag» laut Vorabbericht.
«Wir haben andere Instrumente, wie beispielsweise die Gewährung der Visafreiheit, um der Türkei deutlich zu machen, dass wir den derzeitigen politischen Kurs nicht akzeptieren.» Um die Visafreiheit zu bekommen, müsse die Türkei noch fünf Bedingungen erfüllen. «Ich gehe nicht davon aus, dass die Türkei noch in diesem Jahr die Visafreiheit erhalten wird.»
Neustart mit Trump gefordert
Mit Blick auf das transatlantische Verhältnis forderte Schulz nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten einen Neustart. «Beide Seiten sollten nun auf Null schalten und sich eine Chance geben.» Schulz hatte den Milliardär während des Wahlkampfs scharf kritisiert. «Trump ist jetzt aber der gewählte Präsident der USA und verdient den Respekt, der sich mit diesem Amt verbindet», sagte Schulz. «Der Präsident Trump wird ein anderer sein als der Wahlkämpfer Trump.»
Schulz forderte, dass die europäischen Regierungschefs bei ihrem Treffen eine gemeinsame Linie gegenüber Trump definieren. Europa müsse sich darauf einstellen, mehr für die Verteidigung zu tun. Drastische aussenpolitische Konsequenzen befürchtet der EU-Parlamentspräsident durch Trumps Sieg allerdings nicht: «Ein Austritt aus der NATO oder aus der Welthandelsorganisation wäre für die USA genauso riskant wie für alle Partner der USA. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir über solche Dinge mit dem US-Präsidenten Trump nicht diskutieren müssen.»