EU reagiert mit Zehnpunkte-Plan auf Kritik an Flüchtlingspolitik

Nach den jüngsten Unglücken im Mittelmeer mit Hunderten Toten macht die EU Flüchtlingspolitik zur Chefsache. «Das kann nicht so weitergehen», sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montag. Einen Zehnpunkte-Plan präsentierte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini.

Die EU-Aussenbeauftragte Mogherini (rechts) mit EU-Aussenministern (Bild: sda)

Nach den jüngsten Unglücken im Mittelmeer mit Hunderten Toten macht die EU Flüchtlingspolitik zur Chefsache. «Das kann nicht so weitergehen», sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montag. Einen Zehnpunkte-Plan präsentierte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini.

An einem Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel könnten die Staats- und Regierungschefs als Teil eines Zehnpunkte-Plans eine Aufstockung der Seenothilfe beschliessen.

Gerade in Bezug auf die verstärkte Seenothilfe gab es jedoch auch warnende Stimmen: «Wenn wir den Schleppern ihre Arbeit erleichtern und von Bord gegangene Flüchtlinge entgegennehmen, wird daraus für sie ein noch besseres Geschäft», warnte der tschechische Aussenminister Lubomir Zaoralek.

Der britische Aussenminister Philip Hammond stiess ins gleiche Horn und forderte, vor allem den Kampf gegen Menschenhändler zu intensivieren. Mehrere Minister von EU-Staaten kündigten ausserdem ein härteres Vorgehen gegen Schlepper an.

Keine schnelle Lösung

Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier warnte jedoch vor zu grossen Erwartungen bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems. Es brauche «gemeinsame Anstrengungen zur Verbesserung der Seenotrettung», aber eine Lösung der Probleme sei nur möglich, wenn die Fluchtgründe an der Wurzel bekämpft würden, sagte er.

In diese Kerbe schlug auch Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK): «Der Tod dieser Männer, Frauen und Kinder erinnert in schrecklicher Weise an die Auswirkungen der sich verschärfenden Konflikte in Libyen, Syrien, im Mittleren Osten sowie in anderen afrikanischen Staaten», heisst es in einem Communiqué.

Schweiz zur Mithilfe bereit

Die Schweiz ist bereit, eine Ausdehnung der Rettungsoperationen zu unterstützen, wie Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am Montag vor den Medien in Bern sagte. Kurzfristig seien die Ursachen nicht zu beseitigen, die diese Menschen aufs Meer trieben. Daher gelte es, sich auf das Machbare zu konzentrieren.

Die Vorschläge dazu seien auf dem Tisch, sagte Sommaruga. Und die Schweiz sei bereit, alle Bemühungen zu unterstützen. Unter den Vorschlägen seien ausserdem Auffanglager in Nordafrika sowie die stärkere Bekämpfung der Schlepperbanden. Überdies müsse in Europa nun endlich ernsthaft über einen Verteilschlüssel diskutiert werden.

Mehrere Hundert Tote befürchtet

In der Nacht zum Sonntag war ein Fischerboot mit Hunderten Flüchtlingen an Bord rund 130 Kilometer vor der libyschen Küste gekentert. 24 Leichen wurden seither geborgen, 28 Menschen gerettet.

Der zuständige italienische Staatsanwalt Giovanni Salvi erklärte, die meisten Flüchtlinge seien in den unteren Decks des Schiffs eingesperrt gewesen, als das Unglück geschah. Warum die Menschen eingesperrt waren, blieb unklar.

Die von einem Überlebenden angegebene Zahl von 950 Menschen an Bord ist laut Salvi eine Schätzung. Die Küstenwache geht von einigen Hundert Menschen aus.

Die Hoffnung, noch weitere Überlebende zu finden, schwindet jedoch zusehends. Ob das Schiff und die Leichen je geborgen werden können, ist unklar, denn das Mittelmeer ist an der Unglücksstelle sehr tief. Die wenigen Überlebenden sollten am Montagabend mit einem Schiff Sizilien erreichen.

Am Montag gerieten ausserdem drei weitere Schiffe mit mindestens 400 Menschen an Bord im Mittelmeer in Seenot.

Mehr Flüchtlinge erwartet

In Italien kommen derzeit Tausende Menschen vor allem aus Ländern Afrikas südlich der Sahara und aus dem Bürgerkriegsland Syrien an. Viele Boote starten in Libyen, das ebenfalls von einem Bürgerkrieg zerrissen ist.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft im italienischen Palermo warten in dem Land bis zu eine Million Flüchtlinge auf die Überfahrt nach Europa.

Auch in Malta und Griechenland stranden zahlreiche Flüchtlinge. Am Montag zerschellte vor der griechischen Touristeninsel Rhodos ein Schiff mit Dutzenden Flüchtlingen an Felsen. Mindestens drei Menschen starben, darunter ein vierjähriges Kind, wie die Küstenwache mitteilte. Weitere 93 wurden demnach aus dem Wasser gerettet.

Kritik an EU-Flüchtlingspolitik

Menschenrechts- und Hilfsorganisationen fordern schon länger von der EU, die 2014 von Italien eingestellte Rettungsoperation Mare Nostrum gemeinsam zu erneuern. Denn die Frontex-Mission Triton, mit der Mare Nostrum abgelöst wurde, hat laut Human Rights Watch viel weniger Schiffe, nur ein Drittel des Budgets und ein kleineres geografisches Ausmass.

UNO-Flüchtlingskommissar António Guterres forderte seinerseits legale Fluchtwege und «humanitäre Visa». Und UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon plädierte für eine allgemeine Anerkennung des Rechts auf Asyl für die Kriegsflüchtlinge.

Auch der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte Said Raad al-Hussein meldete sich zu Wort. Europa riskiere, den Mittelmeerraum in einen grossen Friedhof zu verwandeln, sagte er und forderte die Staaten Europas dazu auf, eine «mutigere und barmherzigere» Politik zu machen.

Malta forderte derweil ein UNO-Mandat für ein gezieltes Vorgehen gegen Schlepperbanden.

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