Ein hoher EU-Diplomat in Brüssel spricht Klartext: «Neuverhandlungen der Freizügigkeit ist für die EU ausgeschlossen.» Die Einführung von Quoten könne die EU nicht akzeptieren.
Der Diplomat machte ausserdem klar, dass wenn die Schweiz die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien suspendiert, die EU ihrerseits die Verhandlungen für das Forschungsabkommen «Horizon 2020» und «Erasmus+», das den Austausch von Studierenden, Lehrlingen, Schülern und Lehrpersonal fördert, aussetzen wird. «Zwischen diesen Abkommen und der Personenfreizügigkeit besteht eine Verbindung», sagte der Diplomat.
Auch EU-Kommissarin Viviane Reding setzte der Kompromissbereitschaft der EU in Sachen Personenfreizügigkeit klare Grenzen. «Der gemeinsame Binnenmarkt ist kein Schweizer Käse. Es gibt keinen Binnenmarkt mit Löchern», wird die EU-Kommissarin für Justiz und Vizepräsidentin der EU-Kommission in der Zeitung «Financial Times» vom Montag zitiert.
Reding erklärte, sie bezweifle, dass die EU-Mitgliedsstaaten gewillt seien, alleine über die Personenfreizügigkeit zu verhandeln. Die vier Grundfreiheiten – Personenfreizügigkeit, freier Warenverkehr, Dienstleistungsfreiheit und freier Kapitalverkehr – seien untrennbar. Die EU-Kommission werde die Position des Bundesrates berücksichtigen, um ihre Stellungnahme zu bestimmen.
EU darf nicht nachgeben
Der Luxemburger Aussenminister Jean Asselborn appellierte an die EU-Partner, keine faulen Kompromisse einzugehen. Die Europäische Union dürfe nicht nachgeben, und die Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus der EU «nicht verunstaltet und verwässert werden», sagte Asselborn im deutschen Rundfunksender SWR.
Scharf kritisierte Asselborn die SVP, die die Volksabstimmung angestossen hatte. Der Applaus der europäischen Rechtspopulisten um Le Pen, Strache und Wilders zeige, in welcher Gesellschaft sich die Partei nun befinde.
Für den französischen Aussenminister Laurent Fabius ist die Zustimmung zur Initiative beunruhigend. Die Zustimmung zeige einen Willen der Schweiz, sich abzuschotten. Er forderte wie die schwedische EU-Ministerin Birgitta Ohlsson, dass die EU ihre künftigen Beziehungen zur Schweiz überdenken müsse.
Die italienische Aussenministerin Emma Bonino bezeichnete den Ausgang der Abstimmung als besorgniserregend. Sie kündigte an, dass das Thema vom EU-Rat aufgegriffen werde.
Schweiz schadet sich selbst
Die deutsche Regierung sieht durch den Abstimmungsausgang «erhebliche Probleme». Es sei an der Schweiz, auf die EU zuzugehen und ihr darzulegen, wie sie mit dem Ergebnis umgehen wolle. «Unser Interesse muss es doch sein, das Verhältnis EU – Schweiz so eng wie möglich zu bewahren», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
Aussenminister Frank-Walter Steinmeier warnte die Schweiz vor «Rosinenpickerei» in den Beziehungen zur EU. Faire Beziehungen bedeuteten auch, dass man bereit sei, die vielen Vorteile aus einer solchen Beziehung ebenso zu tragen wie Lasten oder Nachteile, die sich daraus ergeben können. «Ich glaube, dass die Schweiz sich mit diesem Ergebnis eher selbst geschadet hat», sagte Steinmeier am Montag in Brüssel.