Zur Entlastung von Italien und Griechenland will Brüssel 40’000 Flüchtlinge innert zwei Jahren auf andere EU-Staaten verteilen. Das hat die EU-Kommission am Mittwoch vorgeschlagen. Diese Umverteilung wird es aber nur geben, wenn die Mehrheit der EU-Länder zustimmt.
«Dies ist der Augenblick, in dem Solidarität in die Praxis umgesetzt werden muss», sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos in Brüssel. Er sprach von einer «Notregelung».
So beruft sich die Kommission in ihrem Vorstoss auf einen Artikel im EU-Vertrag (78.3) für den Fall eines «plötzlichen Zustroms von Drittstaaten-Angehörigen». Betroffen sein sollen nur «Personen, die klar internationalen Schutz bedürfen».
Laut Kommission geht es um Nationalitäten, bei denen die Asylanerkennungsrate bei mehr als 75 Prozent liegt, das sind aktuell Syrer und Eritreer. Für jeden aufgenommenen Asylsuchenden will die EU zudem 6000 Euro zahlen.
Die Regelung bezieht sich explizit nur auf jene Schutzsuchenden, die nach Beschluss des Gesetzesvorschlages in Italien und Griechenland ankommen. Konkret sollen aus Italien 24’000 Flüchtlinge und aus Griechenland 16’000 umgesiedelt werden. Dafür werden aus dem EU-Haushalt 240 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt.
Verteilschlüssel stösst auf Kritik
Nach einem bestimmten Verteilschlüssel, der Bevölkerungszahl, Bruttoinlandsprodukt sowie Arbeitslosenrate und bereits aufgenommenen Flüchtlingen miteinbezieht, sollen die Flüchtlinge auf die EU-Staaten aufgeteilt werden. Nach diesen Berechnungen müsste Deutschland mit 21,91 Prozent am meisten Flüchtlinge aufnehmen. An zweiter Stelle stünde Frankreich mit 16,88 Prozent.
Ob die EU-Innenminister und der EU-Gipfel dem Verteilschlüssel im Juni zustimmen, ist jedoch noch offen. Denn nachdem die EU-Kommission ihre Migrationsagenda vor zwei Wochen präsentiert hatte, hagelte es Kritik.
Frankreich und Spanien äusserten Einwände zu Quoten. Und Grossbritannien sowie eine Reihe osteuropäischer Länder lehnen einen Schlüssel grundsätzlich ab.
Einmal beschlossen, wäre der Verteilschlüssel verpflichtend für alle EU-Mitgliedsstaaten, die nicht über eine Ausnahmeregelung (Opt-Out) verfügen. Dies trifft auf Grossbritannien, Irland und Dänemark zu.
Schweiz nicht verpflichtet
An das Dubliner-Abkommen assoziierte Staaten wie die Schweiz sind nicht zur Teilnahme an der Notumsiedlungsaktion verpflichtet. Seitens der EU-Kommission hiess es aber, Drittstaaten seien eingeladen mitzumachen.
Die Schweiz befürwortet grundsätzlich die Stossrichtung der EU-Kommission. Alle europäischen Staaten müssten sich gemeinsam an den Anstrengungen beteiligen, die dazu beitragen können, weitere Tragödien zu verhindern, schreibt das Staatssekretariat für Migration. «Dazu gehört auch eine ernsthafte Diskussion über einen innereuropäischen Verteilschlüssel.»
Die Schweiz begrüsse diese Diskussion der EU und werde eine Beteiligung an zukünftigen Massnahmen prüfen, heisst es weiter. «Für eine Einschätzung, in welcher Form sich die Schweiz beteiligen wird, ist es noch zu früh.»
Die Kommission hat am Mittwoch zudem auch offiziell eine «Empfehlung» über das Resettlement, also die dauerhafte Neuansiedlung von bereits von der UNO anerkannten Flüchtlingen direkt aus Konfliktgebieten vorgelegt. Dieses soll 20’000 Personen in den nächsten beiden Jahren umfassen und mit 50 Millionen Euro von der Kommission finanziert werden.
Ban Ki-Moon gegen Militätaktionen
UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon bezeichnete am Mittwoch nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Verteilung von 40’000 möglichen Asylsuchenden auf die EU-Staaten der als einen «positiven Schritt».
Zudem müsse aber die Rettung von Menschenleben Priorität haben. Die Seenotrettung sei zu verstärken. Militärische Operationen hätten dagegen nur eine sehr begrenzte Wirkung.
Ausserdem sehe er das Problem bei Militäraktionen darin, dass die Schiffe oder Boote, welche die EU zerstören wolle, ja nicht nur zum Schmuggeln von Menschen genutzt würden.
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex weitet unterdessen ihre Triton-Mission zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer erheblich aus, wie die Agentur am Dienstagabend mitgeteilt hatte.