Noch ist unklar, ob sich die Euro-Finanzminister am ihrem Sondertreffen in Brüssel darauf einigen können, Athen erneut mit einem Hilfspaket des Euro-Rettungsschirms (ESM) zu unterstützen. Viele EU-Staaten haben das Vertrauen in die Griechische Regierung verloren.
Das von Athen vorgeschlagene Reformpaket stösst auf Skepsis. Ob es auf dieser Basis neue finanzielle Unterstützung für Griechenland in Höhe von rund 74 Milliarden Euro geben kann, ist offen. «Auf dem Papier sind die Vorschläge nicht gut genug», sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am Samstag.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble äusserte sich ähnlich: «Wir werden aussergewöhnlich schwierige Verhandlungen haben.» Die Vorschläge aus Athen würden kein leichtes Ergebnis ermöglichen.
In gleiche Horn stiess auch der slowakische Finanzminister Peter Kazimir: «Das reicht nicht für ein drittes Hilfsprogramm.» Der maltesische Minister Edward Scicluna beschrieb die Stimmung unter den Euro-Ländern mit den Worten: «Es gibt einige, die sehr skeptisch sind, und einige, die es weniger sind.»
Vielen Staaten fehlt nach Worten des Eurogruppen-Chefs das Vertrauen, dass die Regierung des griechischen Premiers Alexis Tsipras die versprochenen Reformen auch wirklich umsetzen wird. Man frage sich, ob der griechischen Regierung vertraut werden könne, «dass sie das tun, was sie versprechen», sagte Dijsselbloem.
Griechenland droht Kollaps
Das griechische Parlament hatte Tsipras in einer Nachtsitzung ein Mandat für Verhandlungen über seine Reformpläne erteilt. Sollten die Finanzminister den Massnahmen aus Athen zustimmen, könnten sie den Weg frei machen für Verhandlungen über ein neues Hilfspaket. Falls sie jedoch ablehnen, wäre ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Währungsraum («Grexit») nicht ausgeschlossen.
Griechenland brauche in den nächsten drei Jahren etwa 82 Milliarden Euro, hiess es aus Brüsseler Kreisen. Das diskutierte Hilfspaket solle rund 74 Milliarden Euro umfassen. Ohne weitere Unterstützung droht Griechenland der wirtschaftliche Kollaps und womöglich das Aus für die Euro-Mitgliedschaft, die Banken des Landes sind schon seit zwei Wochen geschlossen.
«Wir haben es jetzt mit Finanzierungslücken zu tun, die jenseits all dessen sind, mit dem wir uns in der Vergangenheit beschäftigt haben», sagte Schäuble. Voraussetzung für neue Hilfen sind aber Reformzusagen von Athen.
Das überschuldete und von der Staatspleite bedrohte Griechenland hatte in den vergangenen fünf Jahren bereits internationale Hilfe von insgesamt 240 Milliarden Euro erhalten.
Athen muss Vorleistung bringen
Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling verlangte: «Es muss eine Garantie geben, dass eine unmittelbare Umsetzung der Massnahmen erfolgt.» Das griechische Parlament müsse beschliessen, dass die Spar- und Reformschritte in einem Gesetzesentwurf akzeptiert werden. Auch bei den geplanten Privatisierungen sei eine Garantie nötig.
Und der irische Ressortchef Michael Noonan forderte das griechische Parlament auf, bereits in den nächsten beiden Wochen entscheidende Reformvorhaben umzusetzen.
Der niederländische Finanzstaatssekretär Eric Wiebes sagte, viele Regierungen hätten «ernste Sorgen» über die Kraft der griechischen Zusicherungen und die Verlässlichkeit der Umsetzung. «Das ist eine sehr ernste Besorgnis.»
Vorschlag Athens dient als Basis
Die Geldgeber hatten die jüngsten Spar- und Reformvorschläge Griechenlands zunächst als «eine Basis für ein neues ESM-Programm» bewertet, wie EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sagte.
Die Geldgeber-Institutionen bestehen aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Sie hatten ihre gemeinsame Einschätzung dazu in der Nacht an Eurogruppenchef Dijsselbloem geschickt. EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis sagte: «Wir sehen, dass es den Willen von griechischer Seite gibt, eine Einigung zu erreichen.»
Griechenland hatte nach einer monatelangen Hängepartie ein Spar- und Reformpaket vorgelegt. Es umfasst unter anderem eine Mehrwertsteuerreform. Bis 2022 soll zudem das Rentenalter auf 67 Jahre steigen.
Am Sonntag kommen die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedstaaten zu einem Sondergipfel zusammen, um über die Empfehlungen der Eurogruppe zu diskutieren.