In den Weltraum kommt Europa eigenständig mit seinen Trägerraketen. Jetzt sucht die europäische Raumfahrt eine Technik für die sichere Rückkehr von Raumfahrzeugen zur Erde. Der erste Test ist geglückt.
Europa hat erfolgreich einen speziellen Raumgleiter eingesetzt, der den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre samt einer anschliessenden weichen Landung erprobte. Auf dem europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana startete eine Vega-Trägerrakete mit dem Raumfahrzeug IXV (Intermediate Experimental Vehicle). 100 Minuten später landete es im Pazifik. Es war der erste Start eines europäischen Lastenträgers im Jahr 2015.
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) wollte mit diesem Flug bestimmte Systeme und Technologien testen, die für eine Rückkehr von Raumschiffen auf die Erde wichtig sind. Es ging bei dem Demonstrationsflug darum, Techniken für sehr genau gesteuerte und manövrierte Präzisionslandungen zu prüfen. Europa sucht damit Eigenständigkeit im Weltraum auch bei der Rückkehr zur Erde.
Sollte eine solche Technologie schliesslich anwendungsfähig sein, «eröffnen sich für die ESA völlig neue Perspektiven, denn sie ist eine Grundvoraussetzung für wiederverwendbare Raketenstufen, die Rückführung von Bodenproben von anderen Planeten und den Rückflug von Astronauten zur Erde», teilte die ESA mit. Auch bei künftigen europäischen Missionen der Erdbeobachtung und zur weiteren Erforschung der Schwerelosigkeit könnten solche neue Technologien wichtig sein.
Datensammlung im Sinkflug
Das fünf Meter lange IXV hatte sich nach knapp 20 Minuten von der Rakete gelöst. Nach der gelungenen Trennung in einer Höhe von etwa 340 Kilometer über der Erde stieg das zwei Tonnen schwere Raumfahrzeug noch bis auf etwa 450 Kilometer auf.
Beim Sinkflug sollte IXV dann eine Fülle von Daten sammeln. Mehr als 40 europäische Unternehmen haben an dieser Mission mitgearbeitet, geführt von der italienischen Thales Alenia Space.
Auch Schweizer Technik kam zum Einsatz: Die Technologiegruppe RUAG Space hat Instrumente für die Datensammlung entwickelt und gebaut. So war die RUAG Space für die gesamte Instrumentierung des IXV verantwortlich, die aus rund 300 Temperatursensoren, Drucksensoren, Wegaufnehmern und Dehnungssensoren besteht.
In Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und der belgischen Firma Lambda-X lieferte die RUAG Space ausserdem eine Infrarotkamera. Die Kamera sollte Bilder einer der beiden Steuerklappen aufnehmen, um während des Wiedereintritts zeitlich und geometrisch hoch auflösende Temperaturinformationen zu erhalten.
Die ebenfalls von der RUAG gelieferte Kaltstruktur gibt dem IXV seine aerodynamische Form und stellt die Verbindung zur Trägerrakete und zu allen anderen Baugruppen des Raumfahrzeugs her.
Zwei Datenempfangsstationen in Afrika hatten den Flug verfolgt und über die einlaufenden Signale das für die Mission zuständige Kontrollzentrum im norditalienischen Turin informiert.
Erfolgreich gewassert
Das Raumfahrzeug wasserte mit einem mehrstufigen Fallschirm und schützenden Schwimmballons im Südpazifik. Ein Bergungsschiff musste den Raumgleiter anschliessend mit einem grossen Kran bergen. Die Auswertung der von Sensoren gesammelten Daten dürfte laut ESA-Angaben etwa sechs Wochen dauern.
Die gesammelten Flugdaten sollen vor allem auch dem Zukunftsvorhaben der Europäer dienen, ein wiederverwendbares Raumfahrzeug (Pride) zu entwickeln. Die Ressortminister der ESA haben Finanzmittel für das Programm bewilligt. Das Raumfahrzeug soll auch mit Europas kleiner Trägerrakete Vega gestartet und in eine Umlaufbahn um die Erde gebracht werden. Anschliessend soll es automatisch auf einer Landebahn wieder aufsetzen können.