Europas Finanzminister bleiben uneinig über Bankenaufsicht

Die EU hat bei ihrem Prestigeprojekt der europäischen Bankenaufsicht einen Rückschlag erlitten. Die Finanzminister der 27 EU-Staaten erzielten am Dienstag keinen Durchbruch bei den noch strittigen Fragen. Den Zeitplan bis 1. Januar wollen sie aber einhalten.

Vassos Shiarly und die anderen europäischen Finanzminister brauchen noch mehr Zeit (Archiv) (Bild: sda)

Die EU hat bei ihrem Prestigeprojekt der europäischen Bankenaufsicht einen Rückschlag erlitten. Die Finanzminister der 27 EU-Staaten erzielten am Dienstag keinen Durchbruch bei den noch strittigen Fragen. Den Zeitplan bis 1. Januar wollen sie aber einhalten.

Vor allem Deutschland verhinderte nach Angaben von EU-Diplomaten mit seinen Forderungen einen Kompromiss. Berlin traf bei zentralen Forderungen auf breiten Widerstand, auch beim Partner Frankreich.

Bedenken meldeten auch Schweden und Grossbritannien an. Einen neuen Anlauf wollen die Minister bei einem Sondertreffen am Mittwoch, 12. Dezember, einen Tag vor dem EU-Gipfel, machen. Finden die Minister keine Lösung, müssten die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel entscheiden.

Die Zeit drängt, weil die Rechtsgrundlage für die neue „Superaufsicht“ bis Jahresende stehen soll. Die Minister versicherten, den Termin einzuhalten. Notwendig ist eine einstimmige Entscheidung der EU-Staaten.

Voraussetzung für ESM-Hilfe

Die Bankenaufsicht soll bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt werden und mit strengen, einheitlichen Regeln neues Vertrauen in die Euro-Zone schaffen. Sie ist Voraussetzung dafür, dass marode Banken künftig direkt Kredite aus dem Euro-Rettungsfonds ESM erhalten können.

Insbesondere die Südländer drücken deshalb aufs Tempo, während Deutschland und Österreich besonnene Entscheidung fordern. Nach den Ministern muss auch noch das Europaparlament beraten.

Zwischen Berlin und Paris gibt es deutliche Meinungsverschiedenheiten. Deutschland wehrt sich dagegen, dass die neue Aufsicht alle 6000 Geldhäuser in den 17 Euro-Ländern kontrollieren soll. Berlin will Sparkassen und Volksbanken in nationaler Aufsicht belassen.

„Niemand glaubt, dass eine europäische Institution fähig sein wird, 6000 Banken in Europa zu überwachen“, sagte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Er sei keine Lösung akzeptabel, bei der der EZB-Rat in Aufsichtsfragen das letzte Wort habe.

Frankreich gegen Ausnahmen

Paris sieht die EZB dagegen in der zentralen Rolle und will ebenso wie andere EU-Länder keine Ausnahmen zulassen. „Alle Banken müssen umfasst werden“, betonte der französische Finanzminister Pierre Moscovici und sprach von „unterschiedlichen Auffassungen“ mit Deutschland. Die Mehrheit sehe dies ebenso: „Frankreich steht im Herzen des Kompromisses.“

Schweden, das sich als Nicht-Euro-Land an der Aufsicht beteiligen will, hat ebenfalls Einwände. Widerstand gegen eine europaweite Bankenaufsicht kommt auch von Grossbritannien mit dem Finanzplatz London.

Ungeklärt ist auch noch, wie innerhalb der Europäischen Zentralbank der neue Bereich von geldpolitischen Entscheidungen getrennt wird. Schäuble pochte auf eine „chinesische Mauer“ zwischen beiden Bereichen.

Juristische Fragen

Auch die rechtliche Grundlage, auf der die Bankenaufsicht stehen soll, steht noch nicht fest. Im Gespräch ist Artikel 127 Absatz 6 des Lissaboner-Vertrages, allerdings prüfen Juristen dies derzeit noch. Die von manchen geforderte Änderung des EU-Vertrages wird breit abgelehnt. „Eine Vertragsänderung würde nur Zeit verlieren“, sagte Moscovici.

Juristische Probleme bereitet auch noch die Frage, unter welchen Bedingungen Nicht-Euro-Staaten sich der EZB-Aufsicht unterwerfen können. Denn die Zentralbank ist per se nur für die 17 Euro-Länder zuständig. EU-Staaten ohne Euro-Währung hätten nach derzeitiger Lage keine gleichberechtigte Mitsprache. Dies missfällt aber Ländern wie Schweden und Grossbritannien.

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