Die Rufe aus der Tourismusbranche nach einem neuen Euro-Mindestkurs dürften ungehört bleiben. Die abtretende Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf sieht aktuell keinen Anlass für eine Intervention der Nationalbank.
Über einen Mindestkurs könne die Nationalbank immer nachdenken, sagte die Ende Jahr scheidende Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf in einem am Mittwoch publizierten Interview mit dem «Bündner Tagblatt» zu Forderungen aus dem Tourismus. In Anbetracht der gesamten volkswirtschaftlichen Situation sei aber nicht davon auszugehen, dass die Nationalbank diesem Wunsch demnächst nachkommen werde.
Insgesamt habe der starke Franken nicht so stark durchgeschlagen wie ursprünglich befürchtet. «Man wird dies bei den Steuereinnahmen 2015 sehen, die besser sind als prognostiziert», sagte Widmer-Schlumpf. Die Finanzministerin geht davon aus, dass der Franken wieder schwächer wird. Es werde aber «vielleicht noch eine Weile dauern».
«Politische Attacken waren schon intensiv»
Widmer-Schlumpf sagte weiter, dass sie den Gedanken, sich nach acht Jahren nicht mehr der Wiederwahl in den Bundesrat zu stellen, schon lange mit sich herum getragen habe: «Die andauernden politischen Attacken waren schon sehr intensiv.»
Ihre Familie hätte sehr «beschränkte Freude gehabt», wäre sie nochmals vier Jahre im Amt geblieben. Die Familie habe gespürt, «dass ich mich nicht mehr so gut befreien und lösen konnte vom Tagesgeschäft und von den Problemen».
Nach Meinung Widmer-Schlumpfs reicht die Wiederherstellung der arithmetischen Konkordanz mit zwei SVP-Sitzen im Bundesrat nicht aus für einen politischen Erfolg. Kurzfristig könne man damit vielleicht Erfolg haben, «indem ein Geschäft durchgeboxt werden kann».
Für langfristig tragfähige Lösungen sei man auf «konsens- und kompromissfähige Politiker aus allen Parteien angewiesen». Doch Politik funktioniere heute leider anders, «das sah man auch bei den diesjährigen Nationalratswahlen».
Neue Mittepartei – in ein paar Jahren vielleicht
Die Frage nach einer neuen Mittepartei wird sich laut der Bündnerin «vielleicht in ein paar Jahren stellen». Man solle nicht damit beginnen, über eine Fusion zu sprechen. Zuerst müssten gemeinsame Ziele und Positionen definiert werden. Das Modell oder die Form werde sich später von selbst daraus ergeben.
Widmer-Schlumpf kündigte an, sie werde ab Januar, wenn sie nur noch eine politische Beobachterin sei, «in der Öffentlichkeit nichts mehr sagen». «Amtslos» werde ihre Zukunft sein. Sie werde selber einkaufen und ihren Alltag organisieren.
«Muss mich jetzt nicht resozialisieren»
Ihr sei immer klar gewesen, dass Bundesrätin zu sein nur eine Phase in ihrem Leben sei: «Insofern muss ich mich jetzt nicht resozialisieren», so die scheidende Magistratin.
Persönliche Wünsche für das neue Jahr hegt Widmer-Schlumpf nicht. Für «unser Land» aber wünscht sie sich «Mut und Entschlossenheit». Und: «Dass über Projekte entschieden wird, dass Lösungen gefunden werden und nicht, dass Probleme bloss bewirtschaftet oder gar ausgesessen werden.»