Ewige Jugend gegen Unberechenbarkeit

Am US Open haben Roger Federer und Stan Wawrinka den gemeinsamen Halbfinal (heute nach Mitternacht) sportlich souverän erreicht. Beeindruckt haben bisher beide – auf unterschiedliche Art und Weise.

Wawrinka und Federer für einmal gegeneinander (Bild: SI)

Am US Open haben Roger Federer und Stan Wawrinka den gemeinsamen Halbfinal (heute nach Mitternacht) sportlich souverän erreicht. Beeindruckt haben bisher beide – auf unterschiedliche Art und Weise.

Roger Federer: Der ewig Junggebliebene

Roger Federer ist ein Phänomen. Der erfolgreichste Tennis-Spieler der Geschichte verblüffte in New York die Tennis-Welt zum wiederholten Mal: mit seiner Kreativität bei der Erfindung des «Sabr», dem als Halbvolley geschlagenen Return, mit seinem spielerischen Niveau und – vor allem – durch seine körperliche Fitness. «Er bewegt sich so gut wie noch nie», sagte Wawrinka über seinen Kumpel. Während andere aus Federers Generation wie Andy Roddick oder Lleyton Hewitt die gesundheitlichen Folgen ihrer Karrieren zu spüren bekamen, bereits zurückgetreten sind oder sich auf Abschiedstournee befinden, erlebt der 34-jährige Baselbieter in diesem Sommer seinen x-ten Frühling. Federer strotzt in Flushing Meadows vor Spielfreude und demonstriert auf dem Court eine spielerische Leichtigkeit, die seinesgleichen sucht – trotz Millionen an Preis- und Werbegeldern, 87 Turniersiegen und 17 Grand-Slam-Trophäen. Der vierfache Familienvater spielt so angriffig und offensiv wie noch nie. Das Jahr 2013 ist weit weg, als Federer aufgrund seiner Rückenprobleme erstmals seit seinem Aufstieg in die Spitze aus den Top 5 fiel und die grosse Mehrheit der Experten das Ende seiner grandiosen Karriere prophezeite. Federer strafte sie alle Lügen. Ein italienischer Journalist fragte ihn, ob eigentlich Nadal fünf Jahre jünger sei als er – oder umgekehrt. Darren Cahill, ehemaliger Profi und heutiger ESPN-Experte, sagte, Federer habe beim Viertelfinalsieg gegen Gasquet eher wie ein 24-Jähriger als ein 34-Jähriger gespielt. Hat Federer je in seiner Karriere einmal so gut gespielt? Federer selbst weiss es nicht. Für ihn ist er nur eines: «Spass-Tennis».

Stan Wawrinka: Der Unberechenbare

Der Weg von Stan Wawrinka in seinen sechsten Grand-Slam-Halbfinal war ein Auf und Ab. Der 30-Jährige wirkte unkonzentriert, fahrig und teilweise lustlos auf dem Platz, auch wenn er sportlich nie in Schwierigkeiten geriet. Seine Auftritte gaben Rätsel auf. Wie steht es um seine Gesundheit nach den Schulter- und Rückenproblemen in den letzten Wochen? Wie stark belastet ihn der «Fall Kyrgios», das nicht bestätigte Verhältnis zu Kollegin Donna Vekic, die in New York wiederholt in der Box des Romands sass, und vor allem die Trennung von seiner Frau Ilham, die Mutter seiner Tochter Alexia? Wawrinka schien in Flushing Meadows mit seinen Gedanken nicht immer bei der Sache zu sein. Fragen zu seinem Privatleben blockte er ab. Dieses auszublenden, wenn er auf den Platz trete, sei sein Job, merkte er nur an. Dass er dies kann, bewies er im Viertelfinal gegen Kevin Anderson mit Bravour. «Nahe an der mentalen Perfektion nach vier Niederlagen in Serie gegen Kevin», twitterte sein Coach Magnus Norman. Früher habe es bei Stan oft am fehlenden Vertrauen gelegen, heute sei dies nicht mehr der Fall, sagte Federer. «Er weiss, dass er unter Druck gut Tennis spielen kann und muss sich das nicht mehr beweisen.» Seine neue Stärke stellt Wawrinka in erster Linie an Grand-Slam-Turnieren unter Beweis. An acht der letzten neun Majors erreichte er die Viertelfinals, in den letzten zwei Jahren hat nur Novak Djokovic mehr Grand-Slam-Titel gewonnen als der Romand. Zu den Grossen seines Sports zählt er sich aber noch lange nicht. Und in New York sei der Titel für ihn noch weit weg, so Wawrinka. «Aber ich weiss, dass ich ihn gewinnen kann.»

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