Das geplante Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland geht dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder zu wenig weit – genau so wie seiner Partei, der SPD in Deutschland. Darum glaubt er, dass es in dieser Form keine Chance hat, von der Länderkammer angenommen zu werden und somit Anfang nächsten Jahres in Kraft zu treten.
Er glaube nicht, dass das Abkommen vor den Bundestagswahlen im Herbst nächsten Jahres eine Chance habe, sagt er. Danach müsse man vielleicht zusammensitzen und nachverhandeln, sagt Schröder in einem Interview mit der Online-Ausgabe von „20minuten“ am frühen Samstagmorgen. Die Schweizer hätten jedenfalls besser verhandelt als Deutschland.
Es sei nicht nachvollziehbar, warum Deutschland die Namen jener Bankkunden nicht bekommen solle, die vor Inkrafttreten des Abkommens ihre Gelder irgendwohin verschieben. „Warum unterscheidet die Schweiz zwischen den USA und dem Rest?“, fragt sich Schröder. Vielleicht sei es einfach die grössere Macht der USA.
Dass die Schweiz ihre Strategie beim Bankgeheimnis nicht ändert, stösst bei Schröder auf Unverständnis. Die Schweizer Banken seien tüchtig genug, um auch mit sauberem Geld gute Geschäfte zu machen. Selbst in der Schweiz stosse „das alte Geschäftsmodell mit der Steuerhinterziehung“ längst nicht mehr bei allen auf Zustimmung.
Er verstehe nicht, sagt Schröder, warum die Schweiz es zulasse, dass andere Steueroasen sich hinter ihr versteckten. Die Schweiz schütze hier das Falsche, sie hätte mit einer anderen Strategie mehr zu gewinnen als zu verlieren.
Gibt Steinbrück Recht
Schröder gibt seinem SPD-Parteikollegen und früheren Finanzminister Peer Steinbrück nachträglich Recht, distanziert sich aber von dessen Stil. Im März 2009 hatte der Norddeutsche die Schweiz mit Indianern verglichen, denen er mit der Kavallerie drohte, sollten sie weiterhin Steuerhinterziehern Schutz bieten.
Und auch Schröder stellt klar: „Wenn wohlhabende Leute, die in Deutschland von vorzüglicher Infrastruktur, guten Schulen und relativ grosser Sicherheit profitieren, meinen, nicht mit ihren Steuern dazu beitragen zu müssen, jedenfalls nicht in vollem Umfang – dann ist das nicht in Ordnung. Und wenn andere Länder deutschen Bürgern dabei helfen, ist das auch nicht in Ordnung“, sagt Schröder in Anspielung auf die Schweiz.
Das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland wurde vor einem Jahr in Berlin bereits von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und ihrem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble unterzeichnet und im Juni dieses Jahres auch von National- und Ständerat verabschiedet. Die Entscheidung im Deutschen Bundestag in Berlin steht noch aus.
SPD blockiert Abkommen
Während im Bundestag die Regierungskoalition von Kanzlerin Angela Merkel aus CDU/CSU und FDP die Mehrheit besitzt, ist sie in der Länderkammer, dem Bundesrat, auf die Unterstützung der oppositionellen SPD und den Grünen angewiesen. Diese können das Steuerabkommen blockieren. Zumindest die SPD hat ihre Absicht dazu bereits klar geäussert.