Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen ist zuversichtlich, dass die Schweiz und die EU einen stabilen Rahmen für ihre bilateralen Beziehungen finden können. Jetzt sei ein «günstiger Moment».
«Die traditionellen Antipathien Brüssels gegenüber der Schweiz sind durch die Entwicklung beim Bankgeheimnis und im Steuerdossier gegenstandslos geworden», sagte Verheugen in einem Interview mit «Tages-Anzeiger» und «Bund» vom Freitag. Ausserdem geht der Deutsche davon aus, dass «in der Schweiz nicht mehr viele denken, die EU sei von der Gier getrieben, ihre Macht auf die Schweiz auszudehnen».
Dies sieht Verheugen als gute Grundlage an, das Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union grundsätzlich zu überdenken. Es gelte, einen Weg zu finden, wie die Schweiz die direkte Demokratie mit der Funktionsweise von EU-Verträgen vereinbaren könne. Zudem müsse ein gemeinsamer Mechanismus zur Streitschlichtung gefunden werden.
Der Ex-Kommissar, der mit den EU-Erweiterungsrunden von 2004 betraut war, hofft, dass die Schweiz die europäische Entwicklung auch mitgestalten kann. «Das scheint mir kein Zustand, dass die Schweiz bloss nachvollziehen muss, was die EU beschliesst.»
Kein Verhandlungsspielraum bei Freizügigkeit
Für Verhandlungen zur Personenfreizügigkeit für die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative sieht der 70-Jährige hingegen wenig Spielraum. Er könne die Schweizer Position, die Einwanderung zu begrenzen, zwar verstehen, sagte Verheugen. «Ich bin aber überzeugt, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer für die EU nicht verhandelbar ist.»
Auch aus Grossbritannien, das die Freizügigkeit ebenfalls einschränken will, dürfe die Schweiz nicht auf Hilfe hoffen. Die britische Regierung habe rasch gemerkt, «dass sich da nichts erreichen lässt, und klugerweise den Rückzug angetreten», sagte der ehemalige Vizepräsident der EU-Kommission.