Die türkische Justiz hat den früheren Chef der bis vor wenigen Jahren allmächtigen Armee überraschend verhaftet. General Ilker Basbug wurde am Freitag wegen Putschvorwürfen ins rund 80 Kilometer von Istanbul entfernte Silivri-Gefängnis überstellt.
Basbug werde zur Last gelegt, eine „terroristische Organisation“ geleitet und versucht zu haben, die Regierung zu stürzen, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Basbugs Anwalt Ilkay Sezer.
Der frühere Generalstabschef war am Donnerstag in Istanbul sieben Stunden lang wegen des Verdachts verhört worden, Drahtzieher einer Kampagne zur Diskreditierung der Partei AKP von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gewesen zu sein. Dazu hätten Pläne gehört, Internetseiten zur Destabilisierung des Landes einzurichten.
Teil der Ergenekon-Verschwörung?
Wegen des sogenannten Internet-Memorandums sind bereits 22 Militärs angeklagt. Der Generalstab hatte die Einrichtung regierungsfeindlicher Internetseiten auf das Konto einzelner Offiziere geschoben. Diese sagten jedoch vor Gericht aus, sie hätten auf Befehl des Generalstabs gehandelt.
Der Prozess wegen des Internet-Memorandums wurde inzwischen mit einem weiteren Verfahren verschmolzen, in dem es um einen weiteren Plan des Generalstabs zur Destabilisierung der Regierung geht.
Beide Fälle stehen im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die mutmassliche ultra-nationalistische Verschwörerbande Ergenekon. Dem Netzwerk wirft die Staatsanwaltschaft vor, hinter mehreren Komplotten gegen die AKP-Regierung zu stecken.
Hunderte Verdächtige
Im Silivri-Gefängnis, wohin Basbug überstellt wurde, befinden sich bereits etwa 400 Verdächtige, die sich im Ergenekon-Fall vor Gericht verantworten müssen. Darunter sind 58 Generäle und Admirale, aber auch Wissenschaftler und Journalisten. Das Verfahren war 2007 eröffnet worden.
Der Fall gilt als Teil eines Machtkampfes zwischen der AKP, die Wurzeln in einer verbotenen islamistischen Partei hat, und dem säkularen Establishment um Offiziere, Politiker, Journalisten und Anwälte.
Basbug wehrt sich
Der frühere Armeechef wies die Anschuldigungen vor Gericht zurück. „Der Vorwurf, eine terroristische Gruppe zu bilden, ist die grösstmögliche Strafe für mich“, zitierte der Sender NTV den General.
Basbugs hatte 700’000 Soldaten unter seinem Befehl. Als Armeechef hätte er ganz „andere Mittel“ in der Hand gehabt, hätte er „schlechte Absichten“ in die Tat umsetzen wollen, hielt Basbug in seiner Aussage fest.