Ein Strafgericht hat Jacques Chirac am Donnerstag als ersten ehemaligen Staatschef im Nachkriegsfrankreich verurteilt. Der 79-Jährige erhielt zwei Jahre Haft auf Bewährung für ein System von Scheinarbeitsstellen, das er in seiner Zeit als Pariser Bürgermeister Anfang der 90er Jahre schuf.
Das Urteil fiel überraschend hart aus, da die Staatsanwaltschaft einen Freispruch gefordert hatte. „Jacques Chirac war nicht der Rechtschaffenheit verpflichtet, die öffentliche Personen zeigen sollten“, sagte Richter Dominique Pauthe in seiner Begründung. Chirac habe öffentliche Gelder veruntreut und Vertrauensmissbrauch begangen.
Der konservative Politiker bezahlte Anfang der 90er Jahre knapp dreissig Mitarbeiter aus der Pariser Stadtkasse, obwohl sie gar nicht für die Stadtverwaltung arbeiteten. Einige waren laut Gericht für Chiracs damalige Partei RPR aktiv, die den Präsidentschaftswahlkampf vorbereitete.
Andere wie der Enkel des verstorbenen Präsidenten Charles de Gaulle bekamen reine Gefälligkeitsjobs. Von den insgesamt zehn Angeklagten wurden nur zwei freigesprochen. Die anderen, darunter auch der De-Gaulle-Enkel Jean, erhielten mehrmonatige Gefängnisstrafen auf Bewährung.
Gedächtnislücken
Chirac als Hauptangeklagter war im September nicht zu dem dreiwöchigen Prozess erschienen. Er leidet laut einem ärztlichen Gutachten unter Gedächtnislücken und musste deshalb nicht selbst aussagen. Zum Prozessende liess der 79-Jährige von seinen Anwälten eine Erklärung verlesen, in der er seine Unschuld beteuerte.
„Ich habe keinen Fehler begangen, weder einen strafrechtlichen noch einen moralischen“, erklärte der Altpräsident, der bis 2007 zwölf Jahre lang die Geschicke des Landes bestimmt hatte. Auch die Staatsanwaltschaft sah kein Betrugssystem unter dem damaligen Bürgermeister und forderte dessen Freispruch.
Die Stadt Paris, wo Chirac von 1977 bis 1995 Bürgermeister war, einigte sich bereits mit dem Altpräsidenten auf eine Entschädigung und zog daraufhin ihre Klage zurück. Übrig blieb die Anti-Korruptionsvereinigung Anticor als Nebenkläger. Anticor-Anwalt Jérôme Karsenti sprach von einer „historischen Entscheidung, die äusserst wichtig für die Demokratie ist“.
„Gutes Zeichen für Demokratie“
Auch die oppositionellen Sozialisten erklärten, es sei ein „ein gutes Zeichen für die französische Demokratie, dass eine unabhängige Justiz ein solches Urteil gegen einen ehemaligen Präsidenten sprechen konnte“.
Am Abend teilte Chirac in einer Erklärung mit, die gegen ihn verhängte Bewährungsstrafe von zwei Jahren hinzunehmen.