Silvio Berlusconi ist im so genannten «Ruby»-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch in zweiter Instanz freigesprochen worden. Ein Berufungsgericht in Mailand erklärte den früheren italienischen Ministerpräsidenten am Freitag für unschuldig.
Der Berlusconi vorgeworfene Amtsmissbrauch habe nicht stattgefunden, urteilten die Mailänder Richter, und der Sex mit der damals minderjährigen Marokkanerin Karima El Mahroug, genannt Ruby («Herzdiebin»), sei nicht als Straftat zu betrachten. Das Urteil für den 77-Jährigen ist noch nicht rechtskräftig, eine weitere Berufung vor dem Kassationsgericht ist möglich.
In erster Instanz war Berlusconi im Juni vergangenen Jahres zu sieben Jahren Haft und einem lebenslangen Verbot öffentlicher Ämter verurteilt worden – dieser Schuldspruch ist nun aufgehoben. Ihm war vorgeworfen worden, bei wilden «Bunga-Bunga-Partys» in seiner Villa in Arcore bei Mailand Sex mit minderjährigen Prostituierten gehabt zu haben. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand Karima El Mahroug. Die heute 21-Jährige und Berlusconi bestritten jedoch, Sex miteinander gehabt zu haben – dies, obwohl die Staatsanwälte den Nachweis für 13-maligen Geschlechtsverkehr haben wollen.
Berlusconis Verteidiger forderten in dem Berufungsprozess in Mailand einen Freispruch, die Staatsanwaltschaft eine Bestätigung der Verurteilung aus erster Instanz. Die Anklage hatte Berlusconi auch Amtsmissbrauch vorgeworfen. Mit Anrufen bei der Polizei soll er im Mai 2010 – damals noch als Ministerpräsident – nach einer Festnahme Rubys wegen Diebstahls deren Freilassung erwirkt haben.
Verbot politischer Ämter
Berlusconis Verbot öffentlicher Ämter für zwei Jahre und seine auf ein Jahr reduzierte Haftstrafe aus dem Mediaset-Prozess bleiben von dem neuen Urteil unberührt. Der Mitte-Rechts-Politiker bleibt damit weiter aus dem Senat ausgeschlossen und darf nicht für neue öffentliche Ämter kandidieren. Auch seinen Sozialdienst, zu dem Berlusconi auch am Freitag erschien, muss er weiter ableisten. Im August vergangenen Jahres war Berlusconi wegen Steuerbetrugs erstmals rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde wegen einer Amnestieregelung jedoch auf ein Jahr reduziert.
Der «Ruby»-Prozess ist für Berlusconi noch nicht abgeschlossen. Legt die Staatsanwaltschaft Berufung ein, muss sich das höchste italienische Gericht, der Kassationsgerichtshof in Rom, mit dem Fall befassen. Dies könnte innerhalb eines Jahres geschehen. Wird Berlusconi vom Kassationsgericht verurteilt, könnten auch die Vergünstigungen aus dem Mediaset-Prozess aufgehoben werden und ein Hausarrest von zehn Jahren auf Berlusconi zukommen.
Freude und Kopfschütteln
Von seinen Anhängern beinahe vergöttert, von seinen Feinden als notorischer Lügner und Betrüger verflucht, der sich falsche Zeugenaussagen je nach Bedarf durch Bestechung erkauft, konnte sich der schwerreiche Berlusconi wieder einmal freuen.
«Dieser Freispruch hat meine rosigsten Erwartungen übertroffen», kommentierte Berlusconis Verteidiger Franco Coppi. Der Freispruch sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass Berlusconi das wahre Alter der minderjährigen Marokkanerin «Ruby» nicht gekannte habe, die in seiner Luxusresidenz in Arcore verkehrte.
«Endlich die Wahrheit. Schade, dass all die Lügen um Berlusconi die politische Geschichte unseres Landes verändert haben», kommentierte eine Parlamentarierin von Berlusconis konservativer Oppositionspartei Forza Italia, Daniela Santanche.
Kritisch zeigten sich dagegen Berlusconis politische Rivalen. «Von sieben Jahren auf Null beim Berufungsprozess. Berlusconi schneidet noch besser ab als Deutschland gegen Brasilien bei der Fussball-WM», kommentierte ein Parlamentarier der oppositionellen Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo, Alessio Villarosa.