Neurobiologe Fritjof Helmchen von der Uni Zürich hat mit den Medizin-Nobelpreisträgern zusammengearbeitet. Er hält den Preis für «absolut verdient»: Das von ihnen entdeckte Navigationssystem sei fundamental für das Verständnis höherer Hirnfunktionen – auch des Gedächtnisses.
Auf den Nobelpreis für O’Keefe habe er gewartet, sagte auch David Wolfer vom Institut für Anatomie der Universität Zürich der Nachrichtenagentur sda. Der britisch-amerikanische Neurologe John O’Keefe hatte schon 1971 im Hirnareal Hippocampus die sogenannten «Ortszellen» entdeckt, mit denen Ratten ihren Aufenthaltsort erkannten.
2005 doppelte das norwegische Forscherpaar May-Britt und Edvard Moser nach, indem sie in der Hirnrinde auch den übergeordneten Navigationsrechner entdeckten. Diese sogenannten «Rasterzellen» bilden eine Art inneres Koordinatensystem und erlauben damit das präzise Navigieren.
Navigationssystem dient der Erinnerung
Die Navigationszellen seien nicht nur für die räumliche Orientierung, sondern auch für das Verständnis des Gedächtnisses von grosser Bedeutung, sagte Helmchen. Die innere Landkarte im Gehirn werde anhand von Umgebungsmerkmalen gebildet, die dann beim Wiedererkennen des Raumes abgerufen würden.
«Das Navigationssystem dient also quasi der Erinnerung.» So erscheint es logisch, warum sich Gedächtnisweltmeister unglaublich viele Dinge merken können, indem sie diese im Geiste in einem Raum oder Haus «verstauen». Auch erklären sich die Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit von Alzheimer-Betroffenen, bei denen der Hippocampus das am stärksten beeinträchtige Hirnareal ist.
Eine einzelne Hirnzelle
«Es war mit der Entdeckung der Ortszellen das erste Mal, dass man eine kognitive Hirnfunktion bis auf die Aktivität einer einzelnen Hirnzelle festmachen konnte», sagte Wolfer, der über den Einfluss des Hippocampus auf das Verhalten forscht. Dass dies auch für höhere kognitive Funktionen wie die räumliche Orientierung gilt, sei eine wichtige Erkenntnis.
Fritjof Helmchen hat mit allen drei Nobelpreisträgern sowie weiteren Arbeitsgruppen von 2008 bis 2011 in einem EU-Projekt zusammengearbeitet. Dabei ging es darum, die Hirnzellen sichtbar zu machen, die bei navigierenden Ratten aktiv sind.
Helmchen empfand die Zusammenarbeit als äusserst angenehm. «Alle drei sind sehr freundlich, offen und arbeiten mit zahlreichen Forschergruppen zusammen», sagte er. Bei ihnen ständen die wissenschaftliche Neugier im Vordergrund und sie seien sehr darauf bedacht, junge Forscher zu fördern.