Millionen Menschen auf der ganzen Welt verfolgten live den 25. Start eines Space Shuttles – und wurden dann Zeugen einer Katastrophe. Die Explosion der «Challenger» vor genau 30 Jahren war das bis dahin grösste Unglück der Raumfahrtgeschichte.
Es war ein frostiger Dienstag mit strahlend blauem Himmel, an dem das Space Shuttle «Challenger» zu seiner zehnten Raummission aufbrechen sollte. Millionen Menschen auf der ganzen Welt beobachteten den 25. Start in der Geschichte der Space Shuttles, der am 28. Januar vor genau 30 Jahren erfolgte, live vor dem Fernseher.
Auf der Besuchertribüne des Weltraumbahnhofs Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida sassen die Eltern der Grundschullehrerin Christa McAuliffe, die als erste Nicht-Astronautin mit in den Orbit fliegen durfte, und klatschten und jubelten. «Wir gehen auf volle Kraft», meldete Kommandant Francis Scobee aus der «Challenger» an die Bodenkontrolle.
Schwerwiegende Fehlfunktion
Sekunden später ist alles anders. Wo gerade noch das Space Shuttle auf dem Weg in den Himmel zu sehen war, breiten sich grosse weisse Rauchwolken aus. «Es sieht so aus, als ob einige der Triebwerke bei einer Explosion abgesprengt worden sind», sagt CNN-Kommentator Tom Mintier hörbar geschockt. «Offensichtlich gab es eine schwerwiegende Fehlfunktion», sagt der Kommentator der US-Raumfahrtbehörde NASA.
Allen Zuschauern ist sofort klar: Keiner der sieben Menschen an Bord kann diese Katastrophe überlebt haben. Es ist die bis dahin schlimmste Katastrophe in der US-Raumfahrtgeschichte, erstmals überhaupt sterben US-Astronauten im Einsatz.
Beim Apollo-Unglück 1967, bei dem drei Astronauten starben, hatte es sich nur um einen Bodentest gehandelt. Der frostige Dienstag mit dem strahlend blauen Himmel wird zu einem der schwärzesten Tage in der Geschichte der NASA.
Chronik einer Katastrophe
Millisekundengenau hat sie die Ereignisse festgehalten: 58,788 Sekunden nach dem Start bildete sich demnach eine winzige Flamme an einer der Feststoffraketen. Rund fünf Sekunden später loderte bereits ein Feuer am Tankboden, dann umhüllt ein gelb-orangefarbenes Flammeninferno die Raumfähre.
Nach 74,587 Sekunden zerbarst die «Challenger» in 16 Kilometern Höhe in tausende Teile. Die verkohlten Überreste der Astronauten im Atlantik zu finden dauert Monate.
Die Ursache des Unglücks ist schnell klar: Für Florida ungewöhnlich niedrige Temperaturen in der Nacht vor dem Start haben Dichtungsringe an einer der Antriebsraketen porös werden lassen. Während des Abhebens konnten heisse Gase entweichen, eine Kettenreaktion war unvermeidbar.
Zweieinhalb Jahre Zwangspause
Probleme mit der Dichtung waren der NASA lange bekannt, auch die möglichen Folgen. Doch Konsequenzen gibt es erst nach dem Drama: Zweieinhalb Jahre müssen alle Shuttles am Boden bleiben und umkonstruiert werden. Die Kommunikationsstrukturen der NASA werden neu organisiert.
Alle Pläne für die weitere Mitnahme von Zivilisten ins All werden erst einmal auf Eis gelegt. Erst 2007 darf die Lehrerin Barbara Morgan, die als Ersatz für Christa McAuliffe bereitgestanden hatte, mit der «Endeavour» ins All fliegen.
Das Shuttle-Programm hat sich nie ganz von seiner Ur-Katastrophe erholt. Zwar wird es noch einmal wiederbelebt, doch dann verglüht 17 Jahre nach dem «Challenger»-Unglück das Schwesterschiff «Columbia» mit sieben Astronauten an Bord beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Wieder wird eine mehrjährige Zwangspause eingelegt, doch ein Ende des Programms ist nicht mehr abzuwenden.
Ende und Neuanfang
Im Juli 2011 fliegt die «Atlantis» die letzte Shuttle-Mission. Heute setzt die NASA bei Frachttransporten zur Internationalen Raumstation ISS auf externe Unternehmen wie SpaceX und ist bei bemannten Missionen auf russische Transporter angewiesen, will das aber so schnell wie möglich ändern.
Sieben Helden seien gestorben, sagte der damalige Präsident Ronald Reagan am Abend des «Challenger»-Unglücks in seiner TV-Ansprache. Sie hätten den Pioniergeist der Menschheit mit ihrem Leben bezahlt, aber die Raumfahrt werde erfolgreich bleiben. «Die Zukunft gehört den Mutigen.»