Im vergangenen Jahr sind in Schweizer Spitälern 1388 Kinder wegen vermuteter oder sicherer Misshandlungen behandelt worden. Die Zahl blieb damit auf hohem Niveau stabil. Auffallend ist der stark gestiegene Anteil von jugendlichen Täterinnen und Täter.
In fast jedem vierten gemeldeten Fall von Kindesmisshandlung war der Täter oder die Täterin jünger als 18 Jahre, wie die am Freitag veröffentlichte nationale Kinderschutzstatistik 2015 der schweizerischen Kinderkliniken zeigt. Die Fachgruppe Kinderschutz der Gesellschaft für Pädiatrie spricht von einem «starken Anstieg».
Beim sexuellen Missbrauch sei der hohe Anteil von jugendlichen Täterinnen und Täter schon länger bekannt gewesen. Bei der körperlichen und insbesondere bei der psychischen Misshandlung sei der Trend jedoch «erstaunlich und neu».
Väter oder Mütter sind häufig Täter
Ebenfalls neu sei, dass die psychische Misshandlung mit über dreissig Prozent die häufigste an Kinderkliniken erfasste Missbrauchsform geworden sei. «Dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit den sehr vielen Fällen von häuslicher Gewalt zu sehen, wo Kinder mindestens indirekt mitbetroffen sind», schreibt die Fachgruppe Kinderschutz in einer Mitteilung.
Weiterhin fänden psychische und körperliche Misshandlung und Vernachlässigung im Grossteil der Fälle im Familienrahmen statt. Auch fast jeder zweite sexuelle Missbrauch werde von einem Familienmitglied begangen.
Fast ein Viertel aller misshandelten Kinder war gemäss der Statistik jünger als zwei Jahre alt, 45 Prozent der misshandelten Kinder sind jünger als sechs Jahre. Mit 43 Prozent Knaben und 57 Prozent Mädchen ist die Geschlechterverteilung sehr ähnlich wie in den vorangegangenen Jahren.
Vermehrter Missbrauch im armen Familien
Im Jahr 2015 sei ein Kind an einer schweizerischen Kinderklinik aufgrund körperlicher Misshandlung verstorben, schreibt die Fachgruppe Kinderschutz. Das Kind sei jünger als ein Jahr gewesen. Bei 250 weiteren Kindern unter einem Jahr sei die Diagnose Kindesmisshandlung gestellt worden, «womit der Anteil der sehr kleinen Kinder wiederum erschreckend hoch ist».
In jedem vierten Fall hat die Kinderschutzgruppe selber eine Gefährdungsmeldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde gemacht, genau so häufig war diese Behörde auch vorher schon eingeschaltet. Dies passe zu der Tatsache, dass die Kindesmisshandlung – abgesehen vom sexuellen Missbrauch – häufig in sozial benachteiligten Familien vorkomme.
Die nationale Kinderschutzstatistik erscheint im siebten Jahr in Folge. 2015 konnten die Daten von 20 von insgesamt 26 Kinderkliniken der Schweiz bearbeitet werden, was einem Rücklauf von 77 Prozent aller Kliniken entspricht. Wiederum haben alle grossen und mittelgrossen Kinderkliniken ihre Fälle gemeldet.