Fahrlässige Tötung oder pflichtbewusstes Vorgehen der Polizeichefs

Im Prozess gegen die Luzerner Polizeichefs nach einem umstrittenen Einsatz in Malters hat der Staatsanwalt eine bedingte Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung beantragt. Die Verteidigung dagegen plädierte auf Freispruch: Die Angeklagten hätten pflichtbewusst gehandelt.

Der Kommandant der Luzerner Polizei, Adi Achermann, trifft am Montagmorgen im Kantonsgericht Luzern ein.

Im Prozess gegen die Luzerner Polizeichefs nach einem umstrittenen Einsatz in Malters hat der Staatsanwalt eine bedingte Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung beantragt. Die Verteidigung dagegen plädierte auf Freispruch: Die Angeklagten hätten pflichtbewusst gehandelt.

Der ausserordentliche Aargauer Staatsanwalt Christoph Rüedi ging mit dem Luzerner Polizeikommandanten Adi Achermann und seinem Kripochef Daniel Bussmann am Montag hart ins Gericht: Ihre Entscheide beim Polizeieinsatz in Malters LU im März vergangenen Jahres hätten direkt zum Suizid einer 65-jährigen Frau geführt, sagte Rüedi vor dem Bezirksgericht Kriens.

Die Polizei war Anfang März 2016 für eine Hausdurchsuchung in einen Weiler bei Malters ausgerückt. Sie vermutete, dass sich dort eine Hanf-Indoor-Plantage befand. Doch die Frau, die sich in der Wohnung ihres Sohnes aufhielt, wollte die Polizei nicht hereinlassen. Stattdessen drohte sie, mit einem Revolver auf die Beamten zu schiessen und feuerte auch zwei Schüsse ab.

Misslungener Eingriff

Nach 19-stündigen Verhandlungen entschied sich Bussmann für eine gewaltsame Intervention. Der Plan war, die Frau durch ein Telefongespräch in den hinteren Teil der Wohnung in die Nähe der Eingangstüre zu locken. Währenddessen sollte beim Wald ein Feuerwerk gezündet werden. Damit wollten die Beamten die Frau ablenken. Danach sollte ein Interventionshund ins Haus geschickt werden und die Frau überwältigen.

Doch als die Polizei eine hydraulische Presse bei der Türe installierte, wurde der Rahmen so auseinandergedrückt, dass die Türe aufsprang. Die Frau begab sich ins Bad, nachdem sie die Geräusche wahrgenommen hatte. Dort brachte sie zuerst ihre Katze und dann sich selber um.

Dass es bei einem derart vielschichtigen Plan Risiken gebe, sei klar, sagte Rüedi. Die vorzeitige Türöffnung sei ein «Malheur» gewesen. Doch die Polizei hätte zuvor alle Alternativen ausschöpfen müssen.

Für Bussmanns Verteidiger Beat Hess war das Aufspringen der Türe nicht vorhersehbar. Ausserdem habe sein Mandant vor der Intervention alle Alternativen geprüft, diese aber verwerfen müssen. Die Frau sei «gefährlich und unberechenbar» gewesen. Auch habe sie in den Gesprächen mit den Vermittlern unmissverständlich klargemacht, dass sie nichts zu verlieren habe.

Endlosschlaufe?

Auch was die Verhandlungen mit der Frau betrafen, waren sich Staatsanwalt und Verteidigung alles andere als einig. Gemäss Rüedi verliefen die Verhandlungen «erfolgversprechend». Doch die Frau habe sich in einem Ausnahmezustand, «in akuter Psychose», befunden. Sie sei stark suizidgefährdet gewesen, habe Wahnvorstellungen gehabt und nicht vernünftig über ihr Handeln entscheiden können.

In dieser Situation hätte jegliche Konfrontation unterlassen werden müssen. Sowohl die Verhandler als auch der Polizeipsychologe hätten einen gewaltsamen Eingriff für kontraproduktiv gehalten.

«Doch die Beschuldigten sahen das anders», sagte Rüedi. «Sie wollten der Sache ein Ende setzen». Bussmanns Anwalt erwiderte, er werde den Eindruck nicht los, dass seinem Mandanten vorgeworfen werde, dass er die Intervention «einfach durchtanken wollte».

Als der Einsatz nicht erfolgreich verlaufen sei, sei das für alle unerklärlich und traurig gewesen. Die Gespräche seien zu der Zeit in einer Endlosschlaufe stecken geblieben. Deshalb habe die Polizei keine andere Wahl gehabt, als gewaltsam in die Wohnung zu gelangen.

Suizid vorhersehbar?

Der Staatsanwalt argumentierte, der Suizid der Frau sei aufgrund ihrer psychischen Verfassung vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Bussmann habe als Einsatzleiter den Eingriff angeordnet und Achermann habe freiwillig die Verantwortung übernommen, obwohl er weniger gut informiert gewesen sei.

Die beiden Offiziere seien damit ihrer Pflicht, das Leben der Frau zu schützen, nicht nachgekommen und hätten den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt. Deswegen beantragte der Staatsanwalt, die Angeklagten zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen und einer Busse von jeweils 1000 Franken schuldig zu sprechen.

Für Medienarbeit zuständig

Der Anwalt von Polizeichef Adi Achermann sah hingegen keinen Zusammenhang zwischen dem Mittragen des Interventionsentscheides durch seinen Mandanten und dem Tod der Frau. Zu keiner Zeit habe dieser annehmen müssen, dass seine Einsatzkräfte falsche Entscheide treffen könnten.

Vor allem aber sei sein Mandant in Malters für die Medienarbeit zuständig gewesen. Mit der Planung des Einsatzes habe er «nicht das Geringste» zu tun gehabt. Wie auch Bussmanns Anwalt beantragte auch er Freispruch für seinen Mandanten. Das Urteil soll am 27. Juni verkündet werden.

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