Der Fall wurde zum Symbol für die Exzesse der Wall Street vor der Finanzkrise: In einem Zivilprozess in New York muss sich seit Montag der frühere Investmentbanker Fabrice Tourre verantworten, der mit einem dubiosen Anlageprodukt im Jahr 2007 einen Milliardenverlust verursachte.
Die US-Börsenaufsicht SEC wirft dem ehemaligen Goldman-Sachs-Händler Betrug vor und verlangt Schadenersatz. Die Investmentbank hatte sich mit der SEC in der Affäre bereits auf einen Vergleich geeinigt.
Tourre galt als Jungstar der Finanzbranche, sein Spitzname war «Fabulous Fab» («fabelhafter Fab»). Der damals 28-jährige Franzose schuf Anfang 2007 das Investmentpapier «Abacus 2007-AC1», das auf einem Bündel fauler US-Immobilienkredite basierte.
Sogenannte forderungsbesicherte Wertpapiere (CDOs) wie das Abacus-Produkt werden für den Beginn der Finanzkrise verantwortlich gemacht. Als in den USA überschuldete Hausbesitzer reihenweise ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, verloren die weltweit gehandelten CDOs massiv an Wert.
Über eine Milliarde Dollar verloren
Der Vorwurf an Tourre und seinen früheren Arbeitgeber Goldman Sachs lautet, das zweifelhafte Finanzprodukt in dem Moment aufgelegt zu haben, als der Immobilienmarkt in den USA abzustürzen begann. Dabei sollen sie den Anlegern verschwiegen haben, dass der Investmentfonds des Milliardärs John Paulson an der Schaffung des Produktes beteiligt gewesen sei und gleichzeitig auf den Wertverfall der Papiere gewettet habe. Durch «Abacus 2007-AC1» gingen Anlegern laut SEC mehr als eine Milliarde Dollar verloren.
Goldman Sachs einigte sich im Juli 2010 mit der US-Börsenaufsicht auf eine Strafzahlung in Höhe von 550 Mio. Dollar. Die Zivilklage gegen Tourre, der eine Verantwortung zurückweist, lief weiter.
Auf interne Kontrollen vertraut
Am Montagmorgen begann nun der Prozess gegen den Franzosen vor einem Bundesgericht in Manhattan. Die SEC fordert von dem früheren Banker Schadenersatzzahlungen und eine Geldbusse. Das Verfahren soll etwa drei Wochen dauern.
Tourre erschien in dunklem Anzug und orangefarbener Krawatte im Gerichtssaal. Der Franzose beteuert, dass er sich auf die internen Kontrollen von Goldman Sachs verlassen habe. In einer im Jahr 2010 beim Gericht eingereichten Dokument erklärte er, das dubiose Finanzprodukt sei zahlreichen Verantwortlichen bekannt gewesen. Für das Versagen des «institutionellen Prozesses» bei der Investmentbank könne er nicht haftbar gemacht werden, schrieb Tourre.
«Fabrice Tourre hat nichts Falsches gemacht», teilten seine Anwälte der Nachrichtenagentur AFP mit. «Er ist zuversichtlich, dass die Geschworenen die Vorwürfe der SEC zurückweisen, wenn alle Beweismittel in Betracht gezogen werden.»
Als der Fall im April 2010 öffentlich wurde, prangerten US-Medien Tourre als Beispiel für Verantwortungslosigkeit und Arroganz der Finanzbranche an. Medien veröffentlichten private E-Mails, in denen der Franzose schrieb, dass er mit seinen Produkten kleine «Frankensteins» und «Monster» erschaffe. Ausserdem machte er sich über «die armen, kleinen Schuldner» hinter den faulen Immobilienkrediten lustig.