Im Prozess um Wirtschaftsspionage bei der Ems-Chemie hat das Bundesstrafgericht in Bellinzona TI am Freitag einen ehemaligen Mitarbeiter zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Ein Schweizer Konkurrenzunternehmer wurde dagegen von den Vorwürfen frei gesprochen.
Dem früheren Angestellten der Ems-Chemie, einem 44-jährigen Deutschen, wurde wegen Verletzung des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses eine bedingte Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 200 Franken, entsprechend 4’000 Franken, auferlegt. Er soll in zwei Emails im Jahr 2006 Betriebsgeheimnisse verraten haben.
Die Informationen schickte der Deutsche an einen befreundeten Schweizer Unternehmer. Dieser stand ebenfalls vor Gericht, wurde am Freitag allerdings freigesprochen. Auch dem Schweizer war die Verletzung von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen vorgeworfen worden und zusätzlich wirtschaftlicher Nachrichtendienst.
Gefahr für Geschäfte
Aus Sicht von Bundesstrafrichterin Miriam Forni hat der 50-jährige Schweizer Unternehmer die sensiblen Inhalte der zwei Emails zum Thema Glasfasertechnik jedoch nicht verwendet. Zwar habe er im Jahr 2007 einer deutschen Kunststofffirma Informationen über die Ems-Chemie zugeschickt.
Diese Informationen hätten gemäss Richterin aber vor allem auf eigenen Mutmassungen basiert und sich auf Entscheidungen des Bündner Konzerns in der Vergangenheit bezogen. Die Korrespondenz habe keine Gefahr für die Geschäfte der Ems-Chemie bedeutet. Anders habe es sich mit den Emails des Mitangeklagten Deutschen verhalten.
Der ehemalige Leiter Produktion berichtete damals seinem Schweizer Bekannten – auf dessen Anfrage hin – über Pläne der Ems-Chemie, eventuell in die Langglasfaser-Produktion einsteigen zu wollen und über technische Details; Informationen, an deren «Geheimhaltung das Unternehmen ein berechtigtes Interesse hatte», sagte die Richterin
Ems-Chemie kritisiert Verjährung
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft (BA) war in dem Verfahren eigentlich der Konkurrenzunternehmer der Hauptangeklagte. Für ihn war mit einer bedingten Geldstrafe von 27’000 Franken ein höheres Strafmass als für den Ex-Angestellten – 8000 Franken – gefordert worden. Die beiden Männer selbst hatten jegliche Schuld bestritten.
Die Verteidiger wollten sich gegenüber Medienvertretern nicht zu dem Urteil äussern. Die BA sagte, den Entscheid des Gerichts zur Kenntnis zu nehmen.
Die Ems-Chemie hingegen kritisierte in einem Communiqué, dass der «Drahtzieher» des Falls nun straflos ausgehe. Ursache dabei sei die Verjährung wesentlicher Anklagepunkte während der über sechseinhalb Jahre dauernden Untersuchung.
Vier Personen angezeigt
Im selben Fall mutmasslicher Wirtschaftsspionage stand schon vor einem Jahr ein früherer Ems-Chemie-Mitarbeiter vor dem Bundesstrafgericht. Auch er stand unter Verdacht in den Jahren 2003 und 2004 den Schweizer Unternehmer mit Emails in Betriebsinterna eingeweiht zu haben.
Der ehemalige Leiter der Qualitätskontrolle wurde unter anderem wegen Verjährung freigesprochen. Auch im Fall eines weiteren Ems-Chemie-Mitarbeiters wurde das Verfahren wegen Verjährung eingestellt. Verjährung drohte auch im aktuellen Fall.
Die Ems-Chemie mit Magdalena Martullo-Blocher an der Unternehmensspitze hatte am 23. Januar 2007 Strafanzeige gegen insgesamt drei ehemalige Mitarbeiter sowie den Konkurrenzunternehmer eingereicht. Der Firma waren Informationen zugespielt worden, wonach Angestellte gezielt zur Wirtschaftsspionage angestiftet wurden.