Die Familie und Verwandte von Ministerpräsident Wen Jiabao sollen ein Vermögen von umgerechnet etwa 2,5 Milliarden Franken angehäuft haben. Dies berichtete die „New York Times“ im Internet. Das chinesische Aussenministerium kritisierte den Bericht allerdings scharf.
Es handle sich beim Bericht um einen Versuch, China zu „beschmieren“, sagte Sprecher Hong Lei am Freitag. Chinas Zensoren blockierten im Internet den Zugang zum Artikel. Auch Berichte von ausländischen Fernsehstationen über das Vermögen der Familie Wen wurden unterbrochen.
Dem Bericht der „New York Times“ zufolge sollen die Familie und Verwandten von Wen Jiabao während seiner Politkarriere ein Vermögen von umgerechnet etwa 2,5 Milliarden Franken angehäuft haben. Die ermittelte Milliardensumme ergebe sich aus einer Analyse von Unternehmensdaten und offiziellen Angaben, schrieb die Zeitung.
Einige Familienmitglieder hätten demnach „ein Talent für aggressive Geschäftsabschlüsse“. Etwa 80 Prozent des Vermögens werde von entfernteren Verwandten und nicht von Wen Jiabaos Frau oder seinen Kindern kontrolliert.
Damit sei dieser Teil des Vermögens nicht von Offenlegungsregeln der kommunistischen Partei betroffen. Es sei oft schwierig gewesen, die wahren Eigentumsverhältnisse festzustellen. In vielen Fällen habe es ein Geflecht von Partnerschaften und Anlageinstrumenten gegeben.
Ungünstiger Zeitpunkt
Wen Jiabao selbst gab sich während seiner Regierungszeit immer volksnah und bescheiden. Berichte über sehr reiche oder korrupte Parteifunktionäre sorgen in China regelmässig für Unmut.
Die Enthüllungen kommen deshalb zu einem ungünstigen Zeitpunkt für die regierende Partei. Auf einem nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteikongress am 8. November soll ein seit langem vorbereiteter Generationswechsel in der Parteiführung besiegelt werden.
Volkskongress schliesst Bo Xilai aus
Wegen Korruptionsvorwürfen war der Politstar Bo Xilai bereits gestrauchelt. Er musste seine Ämter aufgeben. Bo war Parteichef und Bürgermeister der Millionenmetropole Chongqing und galt als Anwärter für einen Posten im einflussreichen Politbüro der Partei.
Am Freitag schloss der Nationale Volkskongress Chinas den gefallenen Politiker aus seinen Reihen aus. Bo verliert mit seinem Abgeordnetenmandat zugleich seine Immunität, die ihn vor Strafverfolgung schützt, wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag berichtete.
Bos Ehefrau Gu Kailai war im August wegen der Vergiftung des britischen Geschäftsmanns Neil Heywood zum Tode verurteilt worden. Das Strafmass dürfte jedoch in eine lange Haftstrafe umgewandelt werden.