Fanarbeiter fordern dritten Weg

In der Debatte um Pyrotechnik in den Stadien gab es bisher nur zwei Standpunkte: noch mehr Repression oder Legalisierung. Die Fanarbeit Schweiz schlägt nun in einem Positionspapier die Entkriminalisierung der Pyro-Benutzer vor.

Dritter Weg gefordert: Fanarbeiter wollen das Abbrennen von Pyro nicht legalisieren, aber es soll kein strafrechtliches Vergehen mehr sein. (Bild: ALESSANDRO DELLA BELLA)

In der Debatte um Pyrotechnik in den Stadien gab es bisher nur zwei Standpunkte: noch mehr Repression oder Legalisierung. Die Fanarbeit Schweiz schlägt nun in einem Positionspapier die Entkriminalisierung der Pyro-Benutzer vor.

Die Debatte um Pyrotechnik in Sportstadien ist so heiss gelaufen, dass eine vernünftige Diskussion kaum noch möglich ist. Politik und Behörden setzen seit Jahren auf Nulltoleranz und verstärken repressive Massnahmen. Ohne Erfolg. Die Fans brennen weiterhin regelmässig Pyro in den Kurven ab – und werden auch nie ganz daran gehindert werden können, wie in Deutschland zu beobachten ist. Obwohl der nördliche Nachbar noch repressiver gegen Pyro vorgeht, brennen in den Kurven der deutschen Vereine Spieltag für Spieltag Fackeln.

Einen Ausweg scheint es aus der Situation nicht zu geben. Eine Legalisierung, wie sie etwa in Zürich der Grasshopperclub forderte, bleibt angesichts der aufgeheizten Stimmung auch in Zukunft ein Wunschtraum. Und ist auch nicht im Sinne der Fans und Fanarbeiter.

Pyrotechnik entkriminalisieren

Der Legalisierung folgten neue Regulierungen und neue Auflagen, welche dann wiederum unterlaufen würden wie Beispiele aus Österreich und Norwegen zeigen, sagt Thomas Gander, Geschäftsführer von Fanarbeit Schweiz. «Zudem wollen die Fans gar nicht, dass jeder Pyro abbrennen kann.» Die Kurve verliere dadurch die Kontrolle, eine Selbstregulierung wäre nicht möglich und damit auch gar keine Sicherheit gegeben.

Die Fanarbeit Schweiz schlägt deshalb einen neuen Weg aus der festgefahreren Situation vor: die Entkriminalisierung von Pyrotechnik. Geht es nach dem Dachverband der Fanarbeiter sollen folgende drei Anpassungen aus der Sackgasse führen:

  1. Bei Einlasskontrollen festgestellte Pyrotechnik wird konfisziert. Der Besitzer wird weggewiesen.
  2. Wer bei der Verwendung von Pyrotechnik ertappt wird, wird mit zwei Jahren Stadionverbot bestraft.
  3. In beiden Fällen erfolgt keine strafrechtliche Verfolgungen, kein Eintrag in der Hooligan-Datenbank (HOOGAN), kein Rayonverbot und keine Meldeauflage.

Fanarbeit Schweiz begründet den Vorschlag damit, dass eine «Entkriminalisierung die Sensibilisierung für das Gefahrenpotenzial» von Pyrotechnik fördere. Was zur Folge hätte, dass die Sicherheit bei der Verwendung erhöht werde, heisst es in einem am 9. August veröffentlichten Positionspapier. Zudem sei es eine «wirkungsvolle Massnahme gegen Polarisierung».

Neue Basis für Gespräche mit den Fans

Der Widerspruch zwischen Entkriminalisierung und Bestrafung durch Stadionverbote ist gemäss Fanarbeit Schweiz beabsichtigt. Die Nulltoleranz-Strategie von Politik und Polizei habe den Handlungsspielraum der Vereine eingegrenzt. Durch eine Entkriminalisierung falle das Abbrennen von Pyro unter das Hausrecht der Vereine, sie erhielten wieder mehr Einfluss. Der Verein könne aufgrund des Hausrechts selbst entscheiden, ob er Pyro verbieten will, sagt Fanarbeiter Gander. Das schaffe eine neue Basis für Gespräche der Clubs mit den Fans. «Die jetzige Situation treibt einen Keil zwischen Verein und Fans.»

Eine Entkriminalisierung bedingt allerdings eine Anpassung der bisherigen Gesetze, die aktuell eine strafrechtliche und eine verwaltungsrechtliche (Hooligankonkordat) Verfolgung von «Pyro-Sündern» vorsehen. Die Gleichstellung von Pyrotechnik mit Gewalt erachten die Fanarbeitern «als geradezu willkürlich» und besonders störend. Eine Gesetzesänderung ist allerdings angesichts der derzeitigen Stimmungslage «kein einfacher Schritt», wie Gander feststellt. Dass Fanarbeit Schweiz das Positionspapier trotz dieser Aussichten veröffentlicht, sei der Situation geschuldet, sagt Gander. «Wir befinden uns in einer Spirale, die die Situation in den Stadien eher unsicherer macht.»

Ein Zwischenschritt zur Entspannung

Tatsächlich reagierten die Fans auf die stärkere Repression der Polizei und Behörden, indem sie sich vermummen, sich beim Abbrennen von Pyro hinter Fahnen verstecken und mit einer Solidarisierung gegen die Polizei und privaten Sicherheitskräften. Der Sicherheit ist nichts davon förderlich. «Dieses Positionspapier ist unsere Warnung, dass es so nicht weitergehen kann und soll als Zwischenschritt zu einer möglichen Entspannung verstanden werden», sagt Gander. Auf die Reaktionen ist Fanarbeit Schweiz gespannt – auch von den Fans. Die Entkriminalisierung wird zwar auch in den Kurven debattiert und nimmt diese auf, sagt Gander, abgesprochen ist sie mit den Fans nicht.

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