Der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni will analysieren, ob sich der «Inländervorrang light» mit der Verfassung verträgt. Sollte es einen Konflikt geben, müsse die Verfassung angepasst werden.
Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative hat sich die FDP durchgesetzt: Die Nationalratskommission schlägt einen «Inländervorrang light» vor. Nach Ansicht von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AI) muss dafür möglicherweise die Verfassung geändert werden.
Er werde sich im Ständerat für eine Analyse einsetzen, inwiefern das Gesetz verfassungskonform sei, bestätigte Caroni eine Meldung der Zeitung «Blick» vom Montag. Dort, wo es einen Konflikt gebe, müsse die Verfassung angepasst werden.
Ohne Kontingente
Das offensichtlichste Problem des Gesetzesentwurfs ist, dass er ohne Höchstzahlen und Kontingente auskommt. Gerade das verlangt der Verfassungsartikel aber ausdrücklich. Offen ist auch, ob eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung allein mit dem «Inländervorrang light» möglich ist.
Der geistige Vater dieser Umsetzungsvariante, FDP-Nationalrat Kurt Fluri (SO), erkennt keinen Konflikt mit der Verfassung. Er verweist auf die im Verfassungsartikel ebenfalls erwähnten «gesamtwirtschaftlichen Interessen» und die wiederholte Bestätigung der Bilateralen durch das Volk.
Davon ist Caroni nicht restlos überzeugt. Das müsse zuerst analysiert werden, sagte er. Es sei möglich, dass die Lösung verfassungskonform sei. In diesem Fall müsse die Verfassung nicht angepasst werden. Wo er allfälligen Anpassungsbedarf sieht, sagte Caroni nicht. Er wolle das Ergebnis der Analyse nicht vorwegnehmen.
Verfassungsabstimmung im Mai
Zunächst ist nun ohnehin der Nationalrat am Zug. Seine Staatspolitische Kommission (SPK) schlägt ein dreistufiges Verfahren vor: Zunächst muss der Bundesrat dafür sorgen, dass das inländische Arbeitskräftepotenzial besser genutzt wird.
Weiter kann er eine Meldepflicht für offene Stellen anordnen, den so genannten «Inländervorrang light». Als letzte Stufe könnte der Zugang zum Arbeitsmarkt für EU-Arbeitskräfte eingeschränkt werden, allerdings nur mit dem Einverständnis Brüssels.
Stimmt der Nationalrat dieser Lösung zu, ist die ständerätliche SPK an der Reihe. Wenn sie eine Verfassungsänderung für nötig hält, kann sie dem Ständerat in der Wintersession eine entsprechende Vorlage unterbreiten. Vielleicht bekommt die Kommission Hilfe vom Bundesrat: Dieser muss bis im Oktober entscheiden, ob er der Rasa-Initiative einen Gegenvorschlag gegenüberstellen will.
Bei einer raschen Einigung wäre eine Verfassungsabstimmung schon im Mai 2017 möglich. Beschliessen die Räte lediglich eine Gesetzesänderung, würde ein allfälliges Referendum erst im September zur Abstimmung gelangen.
Weg frei für Horizon 2020
In beiden Fällen kann der Bundesrat das Kroatien-Protokoll ratifizieren. Das Parlament hat ihn dazu ermächtigt, sofern er mit der EU eine Regelung zur Steuerung der Zuwanderung gefunden hat, die mit der schweizerischen Rechtsordnung vereinbar ist.
Eine Einigung ist mit der Lösung der Nationalratskommission gar nicht nötig, weil es keinen Konflikt mit dem Freizügigkeitsabkommen gibt. Sofern die Räte Caronis Antrag annehmen, ist auch die Vereinbarkeit mit der Rechtsordnung gewährleistet.
Damit würde der vollen Assoziierung der Schweiz an die EU-Forschungszusammenarbeit Horizon 2020 nichts mehr im Weg stehen. Diese steht unter der Bedingung, dass die Schweiz das Protokoll zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien bis am 9. Februar 2017 ratifiziert.