Festgenommene Fussballfunktionäre wollen nicht an die USA ausgeliefert werden

Die am Mittwoch in Zürich festgenommenen Fifa-Funktionäre widersetzen sich mehrheitlich der Auslieferung an die USA. Das Land muss nun ein formelles Auslieferungsgesuch stellen.

FIFA-Sprecher Walter De Gregorio nimmt am Mittwoch vor den Medien zu den Verhaftungen und Beschlagnahmungen Stellung. (Bild: sda)

Die am Mittwoch in Zürich festgenommenen Fifa-Funktionäre widersetzen sich mehrheitlich der Auslieferung an die USA. Das Land muss nun ein formelles Auslieferungsgesuch stellen.

Die Kantonspolizei Zürich habe die sieben Festgenommenen noch am Mittwoch zu den US-Haftersuchen angehört, teilte das Bundesamt für Justiz (BJ) am Mittwochabend mit. Sechs von ihnen hätten sich der Auslieferung widersetzt.

Das BJ werde nun die USA auffordern, innert der vom bilateralen Auslieferungsvertrag vorgesehenen Frist von 40 Tagen ein formelles Auslieferungsersuchen zu stellen. Sobald diese Gesuche eingetroffen seien, werde das Auslieferungsverfahren weitergeführt, schreibt das BJ. Die sechs Funktionäre können jederzeit bis zum erstinstanzlichen Entscheid des BJ einer vereinfachten Auslieferung zustimmen.

Einer der Festgenommenen habe in der ersten Anhörung schon Bereitschaft für eine vereinfachte Auslieferung signalisiert. Wird diese vereinfachte Auslieferung bewilligt, kann die Person laut Mitteilung des Bundesamts für Justiz «umgehend den US-Behörden übergeben werden».

Dokumente sichergestellt, Konten gesperrt

Mit der Verhaftung der teils hochrangigen Funktionäre gerät der Weltfussballverband noch tiefer in den Korruptionssumpf – und dies zwei Tage vor der FIFA-Präsidentschaftswahl. Die sieben Männer wurden in Zürich wegen Bestechungsverdachts festgenommen.

Gleichzeitig stellte die Bundesanwaltschaft am FIFA-Hauptsitz in Zürich mehrere Dokumente sicher. Grund für die zweite Aktion waren «Unregelmässigkeiten» bei der WM-Vergabe an Russland und Katar.

Um die Verhaftung der Funktionäre hatten die USA im Rahmen eines Rechtshilfeabkommens ersucht, wie das BJ mitteilte. Zudem liess das BJ verschiedene Bankkonten in der Schweiz sperren, über die Bestechungsgelder geflossen sein sollen.

Unter den Verhafteten befinden sich mit Eugenio Figueredo und Jeffrey Webb auch zwei der acht FIFA-Vizepräsidenten. Von der Justiz unbehelligt bleibt der langjährige FIFA-Präsident Sepp Blatter.

Unabhängig davon ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft wegen Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie des Verdachts der Geldwäscherei. Dabei geht es um die Vergaben der Fussball-WM 2018 in Russland und 2022 in Katar, wie sie bekanntgab.

Das Strafverfahren in der Schweiz geht auf eine Anzeige der FIFA vom vergangenen November zurück. Wegen Verdunkelungsgefahr wurden die Verhaftungen in Zürich und die Beschlagnahmungen von Dokumenten am FIFA-Hauptsitz am Mittwochmorgen gleichzeitig durchgeführt.

Deliktsumme über 150 Millionen Dollar

Das US-Justizministerium ermittelt insgesamt gegen 14 Personen wegen organisiertem Verbrechen und Korruption. Sie sollen seit Anfang der 1990er Jahre Schmiergelder von mehr als 150 Millionen Dollar von Vermarktern für die Vergabe von Fussballturnieren erhalten haben. 110 Millionen Dollar sollen allein für Vermarktungsrechte für die Copa America 2016 in den USA geflossen sein.

«Sie haben das weltweite Fussballgeschäft korrumpiert, um sich selbst zu bereichern», sagte US-Justizministerin Loretta Lynch an einer Medienkonferenz in New York. «Sie haben es immer und immer wieder gemacht. Jahr um Jahr, Turnier um Turnier.» Lynch kündigte an, die Korruption im Weltfussball rigoros bekämpfen zu wollen.

Die Straftaten seien in den USA vorbereitet und abgesprochen worden, schrieb das BJ unter Berufung auf das Verhaftsersuchen der US-Behörden. Zudem seien Zahlungen über US-Banken abgewickelt worden. Durchsucht wurde am Mittwoch in Miami auch das Hauptquartier des nord- und mittelamerikanischen Dachverbandes.

Neun der Beschuldigten im US-Verfahren sind oder waren FIFA-Funktionäre, fünf weitere Chefs von Sportmarketing-Firmen. Ihnen werden organisiertes Verbrechen, Betrug, Geldwäscherei und Bestechung vorgeworfen. Wie das Department of Justice (DOJ) mitteilte, drohen ihnen Haftstrafen von bis zu 20 Jahren.

Schweizer Banken als Drehscheibe

Während die Verhaftungsaktion im Zürcher Nobelhotel Baur au Lac lief, stellte die Bundesanwaltschaft am FIFA-Hauptsitz Computerdaten und Dokumente sicher. Die FIFA war gemäss Mitteilung bei der Aushändigung der Dokumente behilflich.

Die Strafuntersuchung der Bundesanwaltschaft richtete sich nach deren Angaben gegen Unbekannt. Es bestehe der Verdacht, dass es bei den Vergaben für die FIFA-Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar zu «Unregelmässigkeiten» gekommen sei.

Im Anschluss an die Sicherstellung der Akten am FIFA-Hauptsitz sollten zehn Personen einvernommen werden. Diese seien als Mitglieder des Executive Committee 2010 an der Wahl zur WM-Vergabe von 2018 und 2022 beteiligt gewesen.

Zudem geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass Gelder via Schweizer Banken gewaschen wurden. Bereits vorgängig wurden deshalb bei verschiedenen Finanzinstituten in der Schweiz entsprechende Bankunterlagen angefordert.

FIFA sieht sich als Geschädigte

Die FIFA bezeichnet sich selbst als Geschädigte und Initiatorin der Aktion der Bundesanwaltschaft. Man habe alles Interesse an einer Aufklärung der Vorwürfe, sagte FIFA-Mediensprecher Walter de Gregorio an einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz. Der Kongress und die Präsidentenwahl fänden wie vorgesehen in den kommenden Tagen statt.

Wegen des bevorstehenden FIFA-Kongresses halten sich derzeit zahlreiche FIFA-Funktionäre sowie Medienleute aus aller Welt in Zürich auf. Sepp Blatter wird dort für eine fünfte Amtszeit kandidieren. Die Chancen des Wallisers auf eine Wiederwahl stehen gut. Einziger Gegenkandidat ist Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien.

_
Der Kommentar zur Affäre von Sportredaktor Christoph Kieslich: Einer muss sich nicht sorgen: Sepp Blatter

Die Medienkonferenz der Fifa vom Mittwochmorgen in der Zusammenfassung: Fifa-Verhaftungen: «Sepp Blatter ist nicht involviert»

Die Fifa: Grundlagen der Ermittlungen und Festnahmen

» Die Bundesanwaltschaft erklärt ihr Vorgehen

» Das US-Department of Justice listet die Namen der Beklagten auf

Nächster Artikel