Am Rand der französischen Schweiz präsentiert sich ein französischsprachiges Schweizer Filmfestival. In Biel wurde gestern das Festival du Film Français d’Helvétie mit einem Blick in die Zukunft eröffnet: Wie erwerben junge Menschen die Fähigkeiten, mit Film umzugehen?
Film im Bildungskanon
Das Festival des französischsprachigen Films ist gestern in Biel eröffnet worden. Mit der Erstaufführung von «Leçon de cinema» von Jean-Stéphane Bron («Expérience Blocher») hat der vorgelagerte Kongress der «Cinéducation» einen Apell für einen Bildungsauftrag Film durch den Bund formuliert.
Dass man sich dabei auch um die Zukunft des Films in der gesamten Schweiz Gedanken macht, ist nicht selbstverständlich. Der welsche Landesteil ist wesentlich besser vorbereitet auf die Entwicklung der elektronischen Medien. Ein Nachdenken über die Bildungsaufträge der Kantonalen Erziehungsdirektionen lohnt sich immerhin:
Der Film ist im Bildungskanon der deutschschweizer Kantonen meist gar nicht enthalten. Dass der Verein «Cinéducation» am ersten Tag des Festivals zu einer – von mehrheitlich von VertreterInnen der Romandie besuchten – Konferenz einlud, ist also nur logisch. Die Vertreter der Nordwestschweiz glänzten mit Abwesenheit.
Frankreich, auch hier führend
Frankreich ist – nicht überraschend – auch in dieser Hinsicht die führende Filmindustrie in Europa. Das berichtet einer der es wissen muss: Alanin Bergala, der führende Cinéasten in der Film-Pädagogik des Landes. Frankreich war darin immer schon einen Schritt weiter.
Nicht nur hat man an diesem Wochenende in Frankreich die Mehrwertsteuersätze für Kinokarten auf 5% herabgesetzt (und damit die Eintrittspreise für Jungendliche gesenkt). Man ist auch seit Jahren weit voraus in der «Éducation pour le Cinéma». Seit Jack Lang zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Film-Erziehung an den Schulen ganz neu aufgleisen liess, befinden sich in den französischen Schulen überall Spezialisten mit Fachlehrern in einem pädagogischen Diskurs mit den Schülern.
Deutschland bedächtig aber beständig
In der Bundesrepublik gibt es, wie die Filmwissenschaftlerin Bettina Henzler an der Konferenz darlegte, bundesweit Bestrebungen das Medium Film auch als kulturellen Bildungsauftrag in die Lehrpläne der Schulen mit einzubeziehen oder deren Wertigkeit zu vertiefen.
Ivo Kummer vom Bundesamt für Kultur (BAK) stellte für die Schweiz als erfahrener Veranstalter und Förderer von Film-Kultur den Film in den grösseren Zusammenhang der Kulturförderung. Kummer hat als einer von wenigen den Filmriss erkannt, der durch die Generationen geht: kulturelle Bildung droht insgesamt aus den erstrebenswerten Zielen dieser Gesellschaft zu verschwinden. Film ist da nur ein Beispiel von vielen.
Ganz leise winkt die momentane Zentralgestalt der Schweizer Filmförderung immerhin den Filmemachern und Pädagogen mit dem Zaunpfahl zu: Was er mit einer launigen Anekdote zu Friedrich von Kleists «Zerbrochenem Krug» insinuierte, war nicht zuletzt dies:
Läuft die pädagogische Entwicklung den laufenden Bilder hinterher?
Die ganze Kultur des bewegten Bilder befindet sich in rasender Entwicklung. In jedem Handy schlummert eine Filmkamera von morgen, und ein kleiner Kinosaal von übermorgen zugleich. Kaum mehr eine Theateraufführung im Land ist ohne vierte Leinwand denkbar. In den Museen sind bewegte Bilder in Dunkelkammern längst Bestandteil der Installationsgsroutine.
Die Pädagogik des Films wird sich wie keine andere Sparte der Kultur-Bildung der Herausforderung stellen müssen und die Entwicklung der Zukunft vorwegzunehmen. Die Pädagogik hat auch in andern Gebieten stets damit gekämpft, dass Pädagogen, die gestern mit Mitteln von vorgestern ausgebildet, Kinder von heute für das Leben von morgen ausrüsten sollen. Gezielte Einbindung der filmischen Erziehung in die Lehrpläne hiesse also auch, die zukünftige ästhetische Formen der Filmkunst jetzt schon zum Thema machen zu können, mit einer soliden Basis in der historischen Erfahrung.
Hierzu hat man nun von der «Cinéducation» ein schweizweites Projekt in die Wege geleitet: Im Jahr 2014 sollen Teams von allen Schulen der Schweiz zu einem Wettbewerb eingeladen werden. Die dabei entstandenen Filme sollen dann als eine Art Werkschau 2015 in Schweizer Kinos gezeigt werden. Als eine bildhafte Bestandesaufnahme der Schweiz durch die junge Generation.
«Ten Minutes Older» von Frank Herz lässt keinen Zweifel offen: Der Umgang mit Film gehört in den Bildungskanon.