Filmfestival in Venedig. Los gehts!

Das Festival in Venedig hat das Pensionsalter längst überschritten und gibt sich nach wie vor dynamisch. Man bleibt der Feinkost verpflichtet. 71! Das Festival in Venedig hat das Pensionsalter längst überschritten und gibt sich nach wie vor ungebremst dynamisch. Auch wenn das Festival von Cannes immer mehr den Mainstream anzieht und Toronto, das gleich nach […]

Auch neben den Kulissen steigt die Spannung

Das Festival in Venedig hat das Pensionsalter längst überschritten und gibt sich nach wie vor dynamisch. Man bleibt der Feinkost verpflichtet.

71! Das Festival in Venedig hat das Pensionsalter längst überschritten und gibt sich nach wie vor ungebremst dynamisch. Auch wenn das Festival von Cannes immer mehr den Mainstream anzieht und Toronto, das gleich nach Venedig beginnt, zu einer immer heftigeren Konkurrenz wird: Venedig bleibt der Feinkost verpflichtet.

Iñárritu eröffnet

Der Mexikaner Alejandro González Iñárritu wird heute mit «Birdman» das Festival in  Venedig eröffnen, mit – wie er sagt – einer Komödie! Das ist bereits die erste Pointe.

Ausgerechnet der Spezialist des Tiefsinns übt nun den Leichtsinn. Mit Michael Keaton, Zach Galifianakis, Edward Norton, Emma Stone und Naomi Watts hilft ihm  ein hochkarätiges Ensemble dabei, zumindest auf dem roten Teppich gut auszusehen.

Und dann? Für die Gala-Premieren werden an den Abenden in Venedig zahlreiche weitere Stars erwartet. Al Pacino, Jennifer Aniston, Bill Murray, James Franco, Ben Kingsley, Ethan Hawke, Catherine Deneuve samt Tochter Chiara Mastroianni. Das wird für Bildstoff sorgen. Denkstoff wird ohnehin immer weniger gefordert.

Wer die Wahl hat …

Bevor nun wiederum Hunderte Meter roter Teppich ausgerollt, Tausende Aperos kredenzt und millionenfach geblitzt wird, damit ein paar Dutzende Filmstars und ihre Sterchen ihr Stelldichaus geben können, lohnt es sich, eine der Perlen schon mal auszuwählen:  Im reichhaltigen Programm fällt es nicht leicht, sich zu entscheiden. Worauf sich konzentrieren? Schweden?

Ach? Da hat man lange nichts mehr gehört. Aber aus Schweden kommt in diesem Jahr ein Schwergewicht. Endlich. Der schwedische Spezialist für das Abgründige tritt beim ältesten Festival der Welt im Wettbewerb an.

Andersson, die Lichtgestalt im Schatten

«A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence» verspricht einen hintergründigen Bilderbogen, wie Roy Andersson sie mit zum Beispiel «You, the Living!» schon früher geliefert hat. Mit ihm beweist Venedig eins: Man will hier nicht besinnungslos zum Schaufenster des Mainstreams verkommen. Hier soll Feinkost neben Provokation und Mainstream präsentiert werden. Hierfür steht u.a. Andersson.

Andersson ist alles andere als leichte Feinkost. Er hat in den Neunzigern jahrelang an seinem ersten langen Film gearbeitet, hat neben Werbefilmchen und Auftragsarbeiten Stück um Stück gebaut, bis er endlich den Look gefunden hatte. Er präsentierte sein gräulich, bläulich, grünliches Panoptikum der Endzeit: «Songs from the Second Floor». Als wären Christoph Marthalers Nebenfiguren in die Bilder von Edward Hopper geflohen und müssten dort auf ihren letzten Einsatz in der Endzeit warten.

Irgendwo in diesem tiefsten Tiefsinn stösst Andersson immer wieder auf den letzten Sinn der nackten Existenz. Todesursache: Lachen, bis man daran erstickt. Diesmal entrückt der ver-rückte Schwede die Bilder möglicherweise noch weiter von uns weg: Das verspricht er zumindest in seinem Titel, der, wie immer bei ihm, bereits Bände spricht: «A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence» nimmt die Erzählperspektive eines Vogels ein.

Das klingt schon beim Lesen des Titels nach Tausenden von Vögeln, denen die Telefondrähte an den Füssen kitzeln, ohne dass auch nur ein einziger in Gelächter ausbricht. Wir werden es am Sonntag sehen.

Wer danach noch Lust auf leichte Kost äussert, wird auf ein extrem schwer zu widerlegendes Argument prallen: Am Lido in Venedig scheint die Sonne. 26 Grad. Das macht jeden Film irgendwie zu einem blöden Stück Wirklichkeit, während man über die Wirklichkeit ruhig sagen kann: Es ist hier wie im Film.



Feinkunst aus Schweden: Roy Andersson

Feinkunst aus Schweden: Roy Andersson

Nächster Artikel