Filmland Island – Diaries 5

Island ist ein Filmland. Wie kann es das mit 330’000 Einwohnern sein? Neben dem Filmfestival lohnt sich auch der Blick in Reykjaviks Filmförderung. Wer folgende Titel hört, wundert sich erst einmal: «The Fifth Estate», « Batman Begins», Christopher Nolan, «Flags of our Fathers», Clint Eastwood, die TV-Serie «Game of Thrones», «Secret Life of Walter Mitty» […]

The Fifth Estate: Live vom Bankenzusammenbruch

Island ist ein Filmland. Wie kann es das mit 330’000 Einwohnern sein? Neben dem Filmfestival lohnt sich auch der Blick in Reykjaviks Filmförderung.

Wer folgende Titel hört, wundert sich erst einmal: «The Fifth Estate», « Batman Begins», Christopher Nolan, «Flags of our Fathers», Clint Eastwood, die TV-Serie «Game of Thrones», «Secret Life of Walter Mitty» von Ben Stiller u.a.. Sie haben alle Eines Gemeinsam: Alle wurde in Island gedreht.

In der Tat  vermarktet sich Island als Filmland sehr clever. Auch Quentin Tarantino war schon hier, als er «Hostel Part II» produzierte. «Noah» von Darren Aronowski fand fast ausschliesslich in Island statt. Russel Crowe fühlte sich während der Dreharbeiten in Reykjavik offensichtlich zu Hause. Er gab mit seiner Band ein Konzert in einem Hinterhof – mit Patti Smith.

Island als Allround-Filmland

Islands Filmindustrie ist klein. Sie produziert aber nicht nur selber. Sie wächst auch an den ausländischen Produktionen, die in Island gedreht werden. 2006, vor der Krise, plante Island je 6 eigene Spielfilme pro Jahr. Dann kam der Zusammenbruch der Banken und der abgewendete Staatsbankrott.

Es kamen Jahre ohne einen einzigen Film. Dennoch wurde die isländische Film-Industrie stärker. Wie kommt das?



Die Landschaft auf stätdischen Fassaden

Die Landschaft auf stätdischen Fassaden

Während Islands die Wirtschaft Achterbahn fährt, fliegt der Film auf eigenen Umlaufbahnen – mit einem cleveren Konzept: Das Land verkauft sich für den Film, aber nicht ohne Hintergedanken. Man hat eigens dafür eine Organisation gegründet: Film in Iceland. Das half, über die Krise hinweg, eine eigene Industrie am Leben zu erhalten.

Die Filmkommission unterzieht erst einmal alle diese Produktionen einem «Kultur-Test». Dazu gilt als Bedingung, um in Island produzieren zu dürfen, dass auch prominentes technisches Personal aus Island stammt. Die heimische Industrie soll lernen können.



Ob Starwars oder Batman Begins - die isländische Filmindustrie nimmt Teil

Ob Starwars oder Batman Begins – die isländische Filmindustrie nimmt Teil

So lernen Sound-Spezialisten, Techniker und andere Filmmitarbeiter von den internationalen Spitzenkräften. Island will aber auch die eigene Industrie fördern. Kameramänner, Tontechniker, Cutter. Das Land bildet zu wenige Leute im eigenen Land aus, um eine starke Fraktion zu bilden, sorgt aber dafür, dass die eigenen Leute auch im eigenen Land arbeiten können.

Als Lockprämie werden 20 Prozent aller Ausgaben, die eine Produktionsfirma im Land macht, zurückerstattet. Das machen andere Länder auch und mit ähnlichen Modellen, aber Island sorgt so für ein Beschäftigungsmodell und nicht nur für Geldfluss.

Film-Förderung als Win-Win-Situation

Island praktiziert Win-Win-Film-Förderung: Clint Eastwood drehte die Aussenaufnahmen für «Flags of our Fathers» in einem Umkreis von wenigen Kilometern – in Island. Der Film hat aber auch die nachhaltige Wirkung auf die Ausbildung der Techniker hier nicht verfehlt. Noch vor Jahren galt der Ton in isländischen Filmen als Problemfall.

Wer «Vonarstraeti» sieht, hört es auch: Da weiss jemand, wie man mit der feinsten Tontechnik umgeht. Die einheimische Industrie hat die Krisenjahre ohne eigene Produktionen überstanden, indem dieses Fördersystem Blüten zeigte. 2014 und 2015 wurden im Land zehn Filme produziert (zur Erinnerung: Island hat rund 330’000 Einwohner).




Film als Spiegel

Ebenfalls das einheimische Filmschaffen befruchten soll das nationale Filmdestival. Ein Beispiel wie das diesjährige Festivalprogramm den Nerv der Einheimischen trifft, kommt aus Bulgarien: In der bulgarisch-griechischen Produktion «The Lesson» von Kristina Grozeva und Petar Valchanov steckt eine Lehrerin in der Klemme. In Ihrer Klasse ist Geld gestohlen worden. Während bei ihr zu Hause das Geld für die Hypothek knapp wird, versucht die Lehrerin den Täter zu finden. So spannend sind wir noch selten an einen Zahlungstermin erinnert worden.

Das Filmfestival bietet seinem Publikum Stoff zur Gegenwartsbewältigung. Fast jeder, der in Island eine Hypothek auf seinem Haus hat, kann sie nicht mehr zurückzahlen, wenn er sie mit ausländischer Währung gehedgt hat. Die Löhne sind hier im Durchschnitt um 30 Prozent gesunken. «Its a mess!», lautet die häufigste Anwort der Isländer auf die Frage, wie sie die momentane Situation beurteilen. «The Lesson» war eine Lektion, die das Publikum betroffen aufgenommen hat.




Gut gerüstet in den nächsten wirtschaftlichen Zusammenbruch

Niemand, der die finanzielle Situation Islands beschreibt, sieht besonders optimistisch in die Zukunft. Wird erst einmal die Restriktion im Kapitalverkehr aufgehoben, droht der nächste Abwertungsschub.

Das sagt der ehemalige Finanzberater des Ministeriums, der heute Island als Filmland vermarktet. Was die Übergangsregierung schaffte, nämlich die Steuern auf Kapitalerträge zu diskutieren, wird zur Zeit von den Sozialdemokraten rückgängig gemacht. Mit den Liberalen zusammen werden jetzt erst einmal die Steuern erhöht. Für die, die wenig verdienen.




Bald brodelt es wieder. Der nächste soziale Ausbruch wird erwartet, wenn die noch geltenden Restriktionen im Kapitalverkehr wieder aufgehoben werden. Dann wird in Island wohl der nächste soziale Grabenbruch bevorstehen.

Im Moment lassen sie sich allerdings eher die Nordlichter vorhersagen. Von ihnen erfährt man auf der Wetterseite Vedur. Vulkan-Anhänger kriegen stündlich Warnungen aufgefrischt, die ihnen verraten, wo sie nicht hinfahren sollten. Eine Gaswolke zieht zur Zeit nach Nordwesten. Ich fahre morgen in den Süden (Temperatur: 2 Grad Celsius).




 

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