Wenn Finsterwalder die «Finsterworld» filmt, dann dürfen wir einen persönlichen Kosmos erwarten. Zumal ihr Freund Christian Kracht am Drehbuch beteiligt ist. Tatsächlich ist «Finsterworld» ganz wie man es von ihm kennt: Es Kracht! Und das ist auch nicht nur komisch.
Der Titel «Finsterworld» lässt eigentlich einen finsteren Film erwarten. Doch er entstammt einem Wortspiel mit dem Namen der Regisseurin, Frauke Finsterwalder. «Finsterworld» ist ihr Kosmos.
Mit Leichtigkeit an den Rand der Abgründe
Frauke Finsterwalder kommt durchaus mit Leichtigkeit daher. Wenn Michael Mertens als Podologe den Polizisten mit Fusscrèmen bestechen kann, ihm keine Busse zu geben, dann kann die Finster-Welt nicht so finster sein. Die Figuren haben zwar alle ihre abgründigen Seiten. Jedoch sind sie meist so absurd liebevoll geschildert, dass sie eher Fröhlichkeit als Finsternis provozieren.
Der Podologe etwa verwendet das abgeschabte Hautmehl gerne für gebackene Plätzchen. Die einsame Heimbewohnerin (endlich dürfen wir wieder einmal Margit Carstensen sehen) liebt seine Fusspflege wie Sex. Der Polizist hat auch ein heimliches Sexualleben: Er stellt sich gern im Bärenkostüm aus.
Christian Krachts Dialog-Klugheit
Alle Figuren wirken abstrus und seltsam zugleich: Die Eliteschüler, die die Reise ins Konzentrationslager zu einem intellektuell bösartigen Spiel machen, sind Teil einer absurden Welt, wirken aber im Zusammenspiel richtig bedrohlich. Frauke Finsterwalder schafft es, in ihrem absurden Kosmos ein grossartiges Ensemble bei Laune zu halten. Wie das Ehepaar Sandberg (grossartig dekadent Bernhard Schütz und Corinna Harfouch) ihre Oberstklasse geniessen, wirkt weder clichiert noch zu dick, sondern schlicht genial genau beobachtet.
Auch die jugendlichen Figuren sind authentisch und klar, selbst in dieser verschwommen absurden Welt. Carla Juri, erneut in Prachtform, wird als Natalie gemobbt, ebenso wie ihr Freund Dominik. Gegen ihn wird gehetzt. Lehrer Nickel wird in eine anzügliche Situation kompromittiert, und ist eines der Opfer der Eliteschüler, die mit hochbegabter Intrigenkunst der Oberstklasse schliesslich zuschlagen.
Frauke Finsterwalder hat einer der besten Filme des ZFF präsentiert. Ein jugendlich frischer Beitrag. Mit verspielt gereiften SchauspielerInnen. Mit einer hübschen Schweizer Beteiligung: Carla Juri wird unschuldig gemobbt, Dieter Meier taucht überraschend als Verkäufer auf. In «Finsterworld» steckt viel Finsterwalder und auch viel Christian Kracht – die Dialoge des in der Schweiz geborenen Autors kreisen wunderbar verloren um dessen Alter-Egos – bis es kracht.