Der 3:2-Erfolg gegen Kanada an der WM in Paris ist für das Schweizer Nationalteam und vor allem für Trainer Patrick Fischer eine Befreiung – in vielerlei Hinsicht.
Noch haben die Schweizer die WM-Viertelfinals nicht erreicht – auch wenn die elf Punkte möglicherweise reichen werden. Aber unabhängig davon realisierten die Schweizer einen grossen Sieg, der dem zuletzt oftmals arg geplagten Team in jeder Hinsicht gut tut.
Zum ersten Mal seit den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi (1:0 gegen Tschechien) bezwangen die Schweizer wieder einmal einen «Grossen» des Eishockeys – notabene nach einem 0:2-Rückstand. Einen Zweitore-Rückstand in einen Sieg umgewandelt hatten die Schweizer an einer WM seit dem Wiederaufstieg erst einmal, letztes Jahr in Moskau beim 3:2-Sieg nach Verlängerung gegen Dänemark.
Fischer bewies ein goldenes Händchen mit mutigen Personalentscheiden. Er hatte den Mut, nach zwei Gegentoren und nach weniger als sieben Minuten Jonas Hiller durch Leonardo Genoni zu ersetzen. «Es waren keine Fehler von Jonas, ich wollte einfach ein Zeichen setzen», so Fischer.
Fischer gab zudem dem späteren Doppeltorschützen Fabrice Herzog eine so wichtige Rolle, wie dieser an der WM noch nicht gehabt hatte. Und er setzte Denis Malgin, den einzigen Schweizer NHL-Spieler an diesem Turnier, auf die Tribüne.
«Wir kämpften, kämpften und kämpften»
Herzog, der seine ersten WM-Tore schoss, startete als 13. Stürmer in das Turnier und wurde nun zum Matchwinner beim Sieg gegen den bisher noch ungeschlagenen Olympiasieger. «Besser kann man sich nicht fühlen», so der Stürmer mit einem breiten Grinsen im Gesicht. «Es ist grossartig, dass wir dieses Spiel noch drehen konnten. Nach dem ersten Tor kehrte die Energie zurück. Wenn man mich gefragt hätte, ich hätte es für unmöglich gehalten, gegen Kanada zwei Tore zu schiessen.»
Herzog mag vor dem Spiel vielleicht nicht an Tore von sich selbst geglaubt haben, die Schweizer als Mannschaft dagegen gaben auch nach dem Fehlstart nie auf. «Wir kämpften uns ins Spiel zurück, kämpften, kämpften und kämpften», so Thomas Rüfenacht. «Wir haben gehofft, dass die Kanadier im letzten Drittel vielleicht etwas fahrlässig werden. Und dann konnten wir richtig auf das Gaspedal drücken.»
Erst der vierte Sieg gegen Kanada
Gross war die Genugtuung bei Fischer. «Ich bin sehr, sehr glücklich für meine Spieler», freute sich der Nationaltrainer. Fischer musste nach der letzten WM (11. Schlussrang) harte Kritik einstecken. Und auch an diesem Turnier blies dem Zentralschweizer vor allem nach der Niederlage gegen Frankreich bereits wieder ein rauer Wind entgegen.
Insofern war der erst vierte Sieg in einem Ernstkampf gegen Kanada nach 2006 (2:0 bei Olympia in Turin), 2010 (4:1 an der WM in Deutschland) und 2013 (3:2 nach Penaltyschiessen an der WM in Stockholm) auch ein Befreiungsschlag für den oft kritisierten Trainer.
Für einmal Wettkampf-Glück
Anders als beim Punktverlust gegen Slowenien (5:4 n.P.) und bei der Niederlage gegen Frankreich (3:4 n.P.) lief der Puck für einmal für die Schweiz. Zwei Pfostenschüsse beklagten die Kanadier im zweiten Drittel. «Wenn wir den dritten Treffer schiessen, dann wäre das Resultat wohl anders herausgekommen», resümierte der kanadische Coach Jon Cooper zurecht.
Auch Fischer sprach das Wettkampf-Glück an: «Zu Beginn kamen wir unter die Räder. Danach war auch das Glück, das uns vielleicht in den ersten Spielen etwas gefehlt hatte, auf unserer Seite. Wir verloren Spiele, die wir eigentlich hätten gewinnen sollen. Heute gewannen wir ein Spiel, das wir auch hätten verlieren können.»
Dank dem Impuls des Goalie-Wechsels, dem Energie-Schub nach dem Anschlusstreffer und dem Doppelpack von Fabrice Herzog feierten die Schweizer den grössten Sieg der letzten Jahre. Oder wie es Fischer formulierte: «Heute war unsere Nacht.» Das dürften sich auch die zu Tausenden nach Paris gereisten Fans gesagt haben, die nach dem Triumph gegen den 26-fachen Weltmeister lautstark durch die Strassen der französischen Hauptstadt zogen.