Wer arbeiten darf, wo und wann er will, ist zufriedener und produktiver. Zudem können die Stosszeiten im Verkehr teils vermieden werden, wie eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigt.
Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat im Auftrag von Swisscom und SBB die Auswirkungen flexibler Arbeitszeiten untersucht. Zudem wollte man herausfinden, wie Pendler die Hauptstosszeiten im öffentlichen Verkehr umgehen können. Bei der Studie machten rund 260 Mitarbeitende von SBB und Swisscom mit, die einen eher langen Arbeitsweg haben und zum grossen Teil mit dem Zug pendeln. Während zwei Monaten versuchten sie, die Hauptverkehrszeiten möglichst zu meiden, indem sie früher oder später als üblich ins Büro gingen – oder gleich von zu Hause aus arbeiteten.
Bei zwei Dritteln der Zugfahrten gelang es ihnen, ausserhalb der Stosszeiten zu fahren, wie die am Donnerstag vorgestellten Ergebnisse zeigen. «Wir waren selber etwas überrascht über diesen hohen Anteil», sagte Johann Weichbrodt, der zusammen mit Hartmut Schulze die Studie durchgeführt hatte.
Ergebnisse nur beschränkt repräsentativ
Die Studienautoren wiesen darauf hin, dass die Bedingungen ideal waren: Die Mitarbeitenden seien motiviert gewesen und die Vorgesetzten hätten den Versuch unterstützt. Die Ergebnisse seien daher nicht eins zu eins auf andere Unternehmen übertragbar.
Die Forscher schätzen aber, dass die Züge während der Stosszeiten um sieben Prozent entlastet werden könnten, wenn alle Bahn-Pendler, die flexibel arbeiten können und dies auch wollen, lediglich jede fünfte ihrer Fahrt auf Zeiten ausserhalb der Stosszeiten verlagern würden.
Die Kapazitätsengpässe auf den Schienen würden dadurch nicht beseitigt, sagte Bernhard Meier, Delegierter Public Affairs der SBB, vor den Medien. Den Streckenausbau, wie ihn das Parlament beschlossen habe, brauche es dennoch.
Die SBB sehen laut Meier aber Potenzial, um die Pendlerströme besser zu verteilen. In Zukunft, wenn viele Unternehmen flexible Arbeitsmodelle anbieten, könne dies auch zu einer Entlastung führen.
Bessere Arbeit und höhere Zufriedenheit
Doch flexible Arbeitszeiten haben gemäss der Studie noch weitere Vorteile: Sie steigern die Produktivität und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Rund 40 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, in der gleichen Zeit mehr gearbeitet zu haben als üblich – und dies erst noch bei besserer Qualität.
Nur wenige Befragte waren nach eigenen Angaben etwas weniger produktiv; die übrigen sahen keinen Unterschied zu vorher. Die Vorgesetzten hätten eine ähnliche Tendenz festgestellt, sagte Schulze.
Gleichzeitig stieg die allgemeine Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden bei mehr als der Hälfte an. Auch das persönliche Wohlbefinden und die Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber verbesserte sich.
Teamleistung nicht geschwächt
Die Studienautoren gingen davon aus, dass sich das flexible Arbeitsmodell negativ auf die Teamarbeit auswirkt. Diese These erwies sich aber als falsch: Obwohl die Studienteilnehmer weniger im Büro anwesend waren, hatte dies laut der Studie keinen Einfluss auf die Teamleistung.
Die Mitarbeitenden waren für ihre Kollegen auch problemlos erreichbar, wie sich zeigte. Dafür sei die Technologie sehr wichtig, sagte Schulze. Als Voraussetzungen für ein flexibles Arbeitsmodell identifizierten die Studienautoren neben der IT-Ausstattung auch die Führungskultur.
Wechsel der Führungskultur nötig
Die Flexibilität müsse von den Vorgesetzten unterstützt und gefördert werden, sagte Weichbrodt. Für diese bedeute dies auch einen Wechsel der Führungskultur, da keine Anwesenheitskontrolle mehr gemacht werden könne.
«Die Zeit des Kontrollierens ist vorbei», sagte auch Alexander Senn, Leiter Recruiting und Employability bei der Swisscom. Nicht die Anwesenheit zähle, sondern das Resultat – wann und wo jemand arbeite, sei egal.
Die flexiblen Arbeitsmodelle hätten zwar auch ihre Grenzen. Dennoch glaubt Senn, dass es in Zukunft noch schwieriger wird, Spezialisten zu finden, wenn ein Unternehmen keine flexiblen Arbeitszeiten anbietet. Diese brauche es, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, insbesondere für die jüngere Generation den so genannten «Digital Natives».