Auf einem Sondergipfel hat die EU der Türkei drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe zugesagt. Wie EU-Ratspräsident Donald Tusk am Sonntagabend in Brüssel bekannt gab, soll das Geld der Türkei dabei helfen, syrische Flüchtlinge im eigenen Land aufzunehmen.
Diese Milliarden-Hilfe ist Teil eines gemeinsam verabschiedeten Aktionsplans, um den Flüchtlingsandrang Richtung Europa einzudämmen. «Die drei Milliarden werden nicht der Türkei sondern den syrischen Flüchtlingen zu gute kommen», sagte der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu nach dem EU-Türkei-Gipfel am Sonntag in Brüssel.
Und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, die Regierung in Ankara erwarte zurecht, dass die EU «die Türkei bei dieser Aufgabe auch entlastet».
Der türkische Regierungschef bezeichnete den EU-Türkei-Gipfel als «historisch». Es sei nach elf Jahren das erste Mal, dass wieder so ein Treffen stattgefunden habe.
Es sei ein «Wendepunkt» in der Beziehung zwischen der Türkei und der EU, sagte der sichtlich zufriedene Davutoglu. Die Türkei sei «eine europäische Nation» und in allen Bereichen zur Zusammenarbeit bereit, nicht nur in der Flüchtlingskrise.
Neues Kapitel für EU-Beitritt
Im gemeinsamen Aktionsplan wird die Türkei zu einem verstärkten Grenz- und Küstenschutz sowie zum Vorgehen gegen Schlepper aufgefordert, um die ungesteuerte Einwanderung in die EU zu stoppen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, es gehe nicht darum, «unsere Einwanderungspolitik auszulagern» und den Grenzschutz alleine der Türkei zu überlassen. Europa müsse dies selber tun, sonst werde das Schengen-System bald «Geschichte» sein.
Im Gegenzug für die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise will die EU noch im Dezember einen weiteren Themenbereich in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnen. Dabei geht es um das Kapitel 17 zur Wirtschafts- und Währungspolitik. Damit wären die Gespräche in 15 der insgesamt 35 Beitrittsbereiche eröffnet. Zudem soll die EU-Kommission im ersten Quartal 2016 die Vorarbeiten zur Eröffnung weiterer Kapitel abschliessen.
Visa-Erleichterungen für Türken
Der Gipfel stellt auch den Wegfall des Visa-Zwangs für türkische Bürger in Aussicht. Voraussetzung ist, dass Ankara ein bereits vereinbartes Rücknahmeübereinkommen für Flüchtlinge im Juni 2016 vollständig in Kraft setzt. Damit könnte die EU Flüchtlinge aus Drittstaaten in die Türkei abschieben. Der Zusammenhang sei von türkischer Seite auch klar verstanden worden, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Ist das Abkommen in Kraft gesetzt, wird die EU im Gegenzug «bis Oktober 2016 im Schengen-Gebiet alle Visa-Erfordernisse für türkische Bürger» aufheben. Die Schweiz als Schengen-Land müsste diese Visa-Erleichterung türkischen Staatsbürgern dann ebenfalls gewähren.
Die Türkei gilt für die Europäer als Schlüsselland zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Als Nachbarstaat des Bürgerkriegslandes Syrien war sie zuletzt Hauptdurchgangsland für hunderttausende Menschen, die in die EU wollten. Zudem beherbergt das Land seit Jahren selbst mehr als zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien.
Im Vorfeld des Gipfels gab es jedoch erneut Mahnungen und Kritik, die vor einem «schmutzigen Deal» mit der Türkei angesichts der deutlich verschlechterten Menschen- und Bürgerrechtslage in dem Land warnten.
Freiwillige Umverteilung
Merkel und andere Staats- und Regierungschefs führten vor dem Gipfel Gespräche. Die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» berichtete, dabei gehe es um die Übernahme von 400’000 Flüchtlingen. Eine Gruppe von EU-Staaten wolle dies der Türkei anbieten. Im Gegenzug solle die ungesteuerte Weiterreise der Menschen in die EU gestoppt werden.
Das Treffen hätten Merkel und EU-Kommissionschef Juncker arrangiert, hiess es unter Berufung auf Verhandlungskreise. Daran teilgenommen haben gemäss der Zeitung die Regierungschefs aus Belgien, den Niederlanden, aus Luxemburg, Österreich, Schweden, Finnland und Griechenland. Auch Frankreich sei eingebunden. Über konkrete Zahlen für die Umsiedlung sei beim Treffen nicht gesprochen worden, hiess es aus Ratskreisen.
Juncker zeigte sich erfreut über die «Initiative» von acht EU-Staaten. «Bis 15. Dezember sollen konkrete Vorschläge vorliegen, wie dies im Detail abgewickelt wird», sagte er. Er verwies jedoch gleichzeitig auf die Freiwilligkeit dieser Initiative.