Weil der Aletschgletscher sich rasant zurückgezogen hat, ist der angrenzende Hang – die Moosfluh – in Bewegung. Diese dramatischen Verschiebungen im Aletschgebiet haben Forscher der ETH Zürich mithilfe umfangreicher Messdaten über einen langen Zeitraum nachgezeichnet.
Seit Jahren gleitet die Moosfluh in nie zuvor beobachtetem Tempo ab. Im letzten Herbst musste sogar die Moosfluh-Bahn den Betrieb einstellen, obwohl ihre Bergstation über ein bewegliches Fundament verfügt. Das Wissenschaftlerteam um Andrew Kos und Sarah Springman kann nun diesen Hangrutsch direkt auf den Rückgang des Aletschgletschers zurückführen, wie die ETH am Montag mitteilte.
Dabei stützen sie sich auf umfangreiche Daten aus Radar- und GPS-Messungen, sowie auf Laserscans aus der Luft und vom Boden aus. Hinzu kamen Satellitendaten und ältere Messdaten der Gletscherhöhe und -länge. «Aufgrund unserer langjährigen Messungen konnten wir eine kritische Schwelle des Gletscherschwundes, bei welcher sich die Situation sprunghaft verschärfte, aufspüren», sagte Kos gemäss der Mitteilung.
30 Zentimeter pro Jahr
Wie die Forscher im Fachblatt «Geophysical Research Letters» berichten, kam der Wendepunkt Mitte der 1990er Jahre: Ab dann ging das Gletschereis schneller zurück als je zuvor beobachtet. Daraufhin beschleunigte sich auch die Bewegung der Moosfluh – allerdings mit einer Verzögerung von neun Jahren, schrieb die ETH.
Bis Anfang der 1990er bewegte sich der Hang im Durchschnitt weniger als einen Zentimeter im Jahr, in jüngster Zeit aber durchschnittlich 30 Zentimeter jährlich.
Besonders am Hangfuss wirke sich der Verlust des Gletschereises empfindlich aus, so die Mitteilung weiter. Die Forscher registrierten dort seit 2005 eine deutliche Zunahme der Felsabbrüche beziehungsweise des abgebrochenen Felsvolumens. 2016 brachen in einem einzigen Felssturz 2,5 Millionen Kubikmeter Fels ab. Die Instabilität des Hangfusses setze sich durch den ganzen Hang fort.
Überraschendes Tempo
Die Geschwindigkeit der Veränderungen im Aletschgebiet überraschte die Forschenden. Bisher ging man davon aus, dass Hangbewegungen durch den Gletscherrückgang sehr langsame, kaum wahrzunehmende Prozesse seien.
Die Studie sei mit ihrem umfangreichen Datensatz einzigartig, betonen die Wissenschaftler. Ob die Entwicklung so rasant weitergehe, sei allerdings unklar, schrieb die ETH. Die weitere Überwachung der Messdaten obliege nun dem Kanton Wallis.