Wenn die Art ihren neuen Katalog vorstellt, kommen alle. Vielleicht lockte aber auch einfach nur das Buffet.
Da können wir der Jubelkolumne unseres Kollegen von der «Basler Zeitung» (online nicht verfügbar) zu hundert Prozent zustimmen: Es war ein schöner Apéro, am vergangenen Dienstag im schönen Innenhof der Galerie Carzaniga am Gemsberg. Der Hausherr bereitete den Gästen einen schönen Empfang. Die Frühlingssonne strahlte Tout (Kultur-)Bâle, das sich auf Einladung der Art-Chefs Marc Spiegler und Annette Schönholzer vollzählig zur Katalog-Vernissage eingefunden hatte, schön ins Gesicht. Die Häppchen aus der «Acqua»-Küche» von Simon Lutz (er betreibt im Nachtigallenwäldeli für die MCH Group – also die Messe Basel – auch das schöne «Baselworld»-Village) waren schön zubereitet und delikat. Die Ehrung der Sammlerin und Mäzenin Esther Grether und des früheren Galeristen und Sammlers Carl Laszlo durch die Art-Direktoren war warm, gepflegt, schön. Alles war einfach – schön. Schön. Schön.
Weniger schön war aber der eigentliche Grund für das schöne mittägliche Stelldichein: Der neue Art-Katalog. Hier will der allzu banal gestaltete Umschlag (eine Farb- und eine Spiegelfläche, deren Grössenverhältnisse proportional nicht stimmen; eine Titelschrift in undefinierbarer Grösse, die ganz und gar nicht korrespondiert mit den Schriften im Restkatalog) nicht zum edel designten Innenteil passen.
Ein Blick ins Impressum macht alles klar: Die neue Werbeagentur der «Art-Basel-Miami-Beach-Hongkong-und-bald-vielleicht-auch-sonst-noch-wo», Barnbrook Design aus London, hat nicht (wie eigentlich angenommen) den ganzen Katalog neu gestaltet, sondern nur den Umschlag. Um den grossen Innenteil waren noch einmal die Erfinder des Art-Katalogs, die Basler Gestalter Müller + Hess, besorgt.
Das lässt Fragen offen (die niemand offiziell beantwortet hat und auch niemand offiziell beantworten wird) – und provoziert zu wilden Mutmassungen:
1.) Waren die neuen Gestalter auf der Schlussgeraden plötzlich überfordert? Ein Art-Katalog muss ja nicht nur schön sein, er muss auch Service bieten und die Benutzer zum richtigen Stand in der richtigen Halle führen – also perfekt mit der ausgeklügelten Hallen- und Standplanung koordiniert werden. Eine riesige Knübli-Arbeit. Überforderung, also? Eigentlich undenkbar: Bei Barnbrook Design handelt es sich um eine grosse Londoner Agentur mit erstklassigen Arbeiten und distinguierten Kunden.
2.) Wollten sich die Neuen mit den Federn der Alten schmücken? (Die typografische Arbeit und der gestalterische Überperfektionismus von Müller + Hess sind legendär und längst auch grenzüberschreitend bekannt und anerkannt.) Auch das wäre eine gemeine Unterstellung! Die Leute von Barnbrook Design, die auch für einen David Bowie tätig sind, haben das schlicht nicht nötig.
3.) Oder führte vielleicht – ganz banal – der Pragmatismus Regie? Im Zeitalter der Onlinemedien und Apps sind gedruckte, schwere, unförmige Messekataloge obsolet geworden (es ist doch viel bequemer, mit einem iPad über die Messe zu laufen). Lohnte es sich also schlicht nicht mehr, in die gute alte Gutenberg-Welt zu investieren?
Kurz und gut: Es würde uns nicht wundern, wenn es bald keinen Art-Katalog in Buchform mehr gäbe. Schade, wenn dann ausgerechnet der letzte gedruckte Basler Katalog zu einem gestalterischen Unfall geworden wäre.