An einen Fraktionschef oder eine Fraktionschefin werden hohe Anforderungen gestellt: Charakterstärke, Mehrsprachigkeit und Verhandlungsgeschick sind gefragt. Derzeit ist bei der FDP und der SP noch offen, wer die jeweilige Fraktion in der 50. Legislatur leiten wird.
Am 30. November beginnt die Wintersession. Spätestens dann müssen die neuen Fraktionsleitungen feststehen. Nach der Abwahl von Andy Tschümperlin braucht auch die SP-Fraktion in Bern eine neue Spitze. Tschümperlin wird sein Amt noch bis Ende November führen, wie Michael Sorg am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagte.
Bisher haben sich zwar noch keine Interessenten gemeldet. Die Wahl findet aber erst 20. und 21. November statt, während der Vorbereitungssitzung für die Wintersession.
Dass die FDP eine Nachfolge für die abgetretene Urner Nationalrätin Gabi Huber finden muss, steht schon viel länger fest. Bisher interessieren sich die Nationalräte Ignazio Cassis (TI), Christian Wasserfallen (BE) und der Beat Walti (ZH) für das Amt. Allfällige weitere Kandidaten haben bis Mitte November Zeit, ihr Interesse anzumelden. Die Wahl des Präsidiums findet Ende November statt.
Bilingue, gefestigt, geduldig
Doch was bringt die Person an der Spitze einer Fraktion idealerweise für Fähigkeiten mit? «Die Person sollte den Zugang zu den Vertretern aller Landesteilen haben», sagte Christine Egerszegi, bisherige FDP-Ständerätin aus dem Kanton Aargau, auf Anfrage. Gute Kenntnisse der jeweils anderen Landessprachen seien entscheidend – zumindest Französisch respektive Deutsch sollte er oder sie fliessend sprechen.
«Die Person sollte auch Geduld und Durchsetzungsvermögen mitbringen», sagte Egerszegi weiter. Eine hohe Kritiktoleranz sei ebenfalls wichtig, denn Kritik hagle es oft und von allen Seiten. Gefragt sei eine «gefestigte Persönlichkeit», welche bereit sei, die eigenen Bedürfnisse im Interesse von Partei und Fraktion zurückzustellen.
Die Fraktionsspitze sollte idealerweise den Bundesbetrieb und die Abläufe sehr gut kennen und mit dem Parteipräsidenten zusammenarbeiten können. Wichtig sei auch die Fähigkeit, mit anderen Fraktionen zu verhandeln und dabei jeweils «das Beste» herauszuholen.
Koalitionen und Mehrheiten
Das sieht auch Cédric Wermuth so. «Die Person sollte die Fähigkeit haben, Koalitionen zu schmieden, um mit bürgerlichen Parteien Mehrheiten zu schaffen», sagte der Aargauer SP-Nationalrat am Dienstag in der Sendung «HeuteMorgen» von Radio SRF. Sie oder er sollte auch in der Lage sein, die unterschiedlichen Flügel der Partei zusammenzuhalten.
Die SP-Vizepräsidentin Barbara Gysi würde sich wünschen, künftig eine Frau an der Fraktionsspitze zu haben, wie sie gegenüber Radio SRF sagte – zumal die Fraktion in den Wahlen um mehrere Frauen grösser geworden sei.
Die Frage nach Frau oder Mann ist dagegen für die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala zweitrangig. Viel wichtiger sei die Persönlichkeit, teilte sie schriftlich mit. Sie weist auch auf die Bedeutung der Vernetzung hin. «Akzeptanz über die Parteigrenzen hinweg ist wichtig».
Zentral sei auch eine «grosse politische Erfahrung» – möglichst in der Parteileitung. Ideal sei eine «durchsetzungsstarke und konziliante Persönlichkeit», die das Verbindende betone – und nicht das Trennende.