«Frances Ha» – weibliche Antwort auf «Oh Boy»

Frances will treu sein. Vor allem sich selbst. Was aber, wenn sie nicht weiss, wer sie selbst ist? «Frances Ha» gehört zu den aufregendsten Filmen der jungen Generation. Frances ist in Bewegung. Meist übt sie sich in Tanzschritten. Oder Freundschaftsgesten. Hin und wieder wechselt sie ihren Datepartner, oder sie zieht einfach nur in eine neue […]

Prekäre Jugend in Frances Ha

Frances will treu sein. Vor allem sich selbst. Was aber, wenn sie nicht weiss, wer sie selbst ist? «Frances Ha» gehört zu den aufregendsten Filmen der jungen Generation.

Frances ist in Bewegung. Meist übt sie sich in Tanzschritten. Oder Freundschaftsgesten. Hin und wieder wechselt sie ihren Datepartner, oder sie zieht einfach nur in eine neue Wohnung. Frances will Tänzerin werden. Doch ihr Traum passt noch nicht ganz in die Träume ihrer Umgebung: Ihre beste Freundin zieht nach Japan. Frances Job geht flöten. Sie ist für eine Anfängerin als Tänzerin einfach schon zu alt. Obwohl sie jünger aussieht. Sich älter benimmt. Jünger wirken will. Wann hört bloss diese ewig lange Jugend auf?

Frances will treu sein – den anderen Jung-Frauen. Versucht sie, sich selber treu zu sein, geht das meist schief, weil sie nicht weiss, wer sie selber ist – eine treue Seele. Rund um sie herum gehen Träume in Erfüllung. Nur Frances tanzt weiter zwischen allen Stühlen.

Das Prekariat stiftet wenig Überlebenssinn

Das, was Noah Baumbach (2006 für den Oscar nominiert mit dem Drehbuch zu Der Tintenfisch und der Wal ) da in schwarz-weisse Grosstadtbilder fasst, trifft das Lebensgefühl einer ganzen Generation von alternden Kids, die den Versprechungen der Märkte folgen: Als kommende Künstler, als vielversprechende Designer, als Sängerinnen finden sie – meist in prekären Anstellungsverhältnissen auf der Suche nach sich – kaum mehr als einen kurzen Halt. Der vorübergehende Sinn wird das Überleben als Prekariats-Hospitant. Aber wenn dahinter keine Eltern als Sponsoren stecken, führt die Suche nach etwas Berühmtheit, nach etwas Glanz, nach etwas Heimat bloss ans Ende der Illusionen.

Nach «Oh Boy», der jung-männlichen Taugenichts-Variante aus Deutschland, folgt jetzt eine weit sinnstiftendere Ansage der New-Yorker Jung-Frau: Bei «Frances Ha» ist das Ende gleichzeitig auch ein Anfang: Sie steht im Türrahmen ihrer neuen Wohnung, presst ihre Arme nach aussen, gegen das Holz. Minutenlang. Dann macht sie einen Schritt nach vorne: Die Arme schweben links und rechts von ihr weg – wie Flügel – nach oben. Ein Schritt vorwärts genügt, und schon fliegt sie, mit Boden unter den Füssen – und nicht gegen die Wand.

Wir haben über «Frances Ha» schon von der Berlinale berichtet: Jetzt läuft der Film in den Kult-Kinos.

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