Die Niederlande sind der grosse Abwesende in Frankreich. Die EM-Geschichte der Oranjes ist vom Triumph 1988 und dem Scheitern 2000 geprägt. An beiden Turnieren spielt Frank Rijkaard eine Hauptrolle.
Die Niederlande 1988, das war vor allem Marco van Basten, der Torschützenkönig, der im Final gegen die UdSSR mit seiner Direktabnahme aus spitzem Winkel das schönste Tor der EM-Geschichte schoss. Die Niederlande 1988, das war auch Ruud Gullit, der Captain mit der Rasta-Mähne, der mit seinem Kopfballtor im Final den Oranjes den Weg zum Titel ebnete. Die Niederlande, das war aber auch Frank Rijkaard, der elegante Innenverteidiger, der dank seiner Physis und Spielintelligenz ein wichtiger Baustein im Ensemble von Rinus Michels war.
Rijkaard war eine der Entdeckungen des Turniers in Deutschland. In Amsterdam geboren, bei Ajax als Verteidiger gross geworden, spielte er an der Seite von Ronald Koeman gross auf und wechselte er nach dem Titelgewinn zusammen mit Van Basten und Gullit zur AC Milan, wo ihn Arrigo Sacchi zum defensiven Mittelfeldspieler umfunktionierte. Milan avancierte mit Rijkaard als Nummer 6 zur besten Mannschaft Europas, gewann zweimal den Meistercup sowie zweimal den Scudetto. Rijkaard war Teil der «Invincibili», die von 1991 bis 1993 58 Meisterschaftsspiele in Folge nicht verloren.
Auch bei der EM 2000 spielte Rijkaard eine Hauptrolle. Nicht mehr als Spieler, sondern als Trainer. Nach seinem Rücktritt nach dem Champions-League-Sieg mit Ajax 1995 und dem Wirken als Assistent der «Elftal» übernahm Rijkaard 1998 die Nationalmannschaft, die er zwei Jahre später auch als Trainer hätte zum EM-Titel führen sollen. Die talentierteste holländische Generation der Geschichte um Dennis Bergkamp, Patrick Kluivert, Clarence Seedorf und Edwin van der Sar stand in der Blüte ihres Schaffens.
Die Niederlande spielte gross aus, gewann alle drei Partien der Vorrunde und erteilte in den Viertelfinals Jugoslawien mit einem spektakulären 6:1 eine Lektion. Doch auch bei der Heim-EM scheiterten die Oranjes mit ihrem «totaalvoetbal». Einmal mehr – und auf eine Art und Weise, die in die EM-Geschichte einging. Zum vierten Mal nach der EM 1992 (im Halbfinal), der EM 1996 (im Viertelfinal) und der WM 1998 (im Halbfinal) versagten sie im Penaltyschiessen. Gegen Italien verwerteten sie nur einen von vier Versuchen in der Kurzentscheidung, nachdem sie bereits in der regulären Spielzeit zweimal aus elf Metern gescheitert waren. Francesco Toldo hiess Italiens Held am 29. Juni 2000 in Amsterdam.
Rijkaard trat zurück und führte später den FC Barcelona zum Champions-League-Triumph (2006). Der heute 53-Jährige ist eine von sieben Personen, die sowohl als Spieler als auch als Trainer die Champions League gewannen. Diese Ehre war Rijkaard bei der EM verwehrt geblieben.